Kunstmuseum ehrt in Vergessenheit geratenen Künstler
Wolfgang Fries (1981 - 2005) „verschonte“, wie es Kunsthistoriker Dr. Martin Schmidt-Magin in seiner Laudatio beschrieb, „keine Oberfläche“. Tische, Stühle, Schränke, Teller und Schalen, nichts entging dem entschiedenen und von Rhythmus und Ornament geprägten Stil des Nürnberger Künstlers. Aus diesem Grund ist es eine geniale Idee, im Kunstmuseum einen Bereich als „Wolfgangs Platz“ einzurichten. Dort befinden sich ein gedeckter Tisch, Stühle und dem von Schwanz bis Halfter gestalteten Schaukelpferd, das auch heute noch selbst unter erwachsenen Reitern nicht einmal ächzt. „Wolfgangs Ecke“ erzählt mehr über den Künstler als manche Abhandlung das könnte: dass er gern im Schneidersitz auf dem Schaffell Platz nahm, im Geist der Gastfreundschaft starken schwarzen Tee einschenkte und die beigefügte Trommel weit mehr als Dekoration war. Wolfgang Fries sprach von sich in der „Er-Form“ und lehnte es sein Leben lang ab, am Kunstmarktteilzunehmen.Dies könnte einer der Gründe sein, warum der vielseitige Künstler fast in Vergessenheit geraten ist. Nun, 18 Jahre, nachdem er „seinen Körper verlassen hat“, wie er selbst es bezeichnet hätte, ehrt nun erstmals ein Museum sein Werk. Dr. Schmidt-Magin gratuliert Bürgermeister Robert Ilg und Museumsleiter Uli Olpp ausdrücklich dazu, dass sie in diesem „Schmuckkästchen von Museum“ ein Oeuvre sichtbar machen, das diese Aufmerksamkeit verdient.
Die Verbindung zu Hersbruck liegt in Wolfgang Fries´ jahrelangem Engagement auf dem Müllerhof, wo ab 1982 bis 1992 Familienarbeit auf Vereinsbasis geleistet wurde und Fries mit Keramik in Verbindung kam. Die Ausstellung lockte nicht nur Familie und Freunde an, sondern auch viele Wegbegleiter. So viele, dass die Eröffnungsreden im Freien unter dem ehrwürdigen Bogen des dem Torwärterhäuschen zugehörigen und in Renovierung befindlichen Spitaltors, zwischen Zementsäcken und Gerüsten abgehalten wurde.
Robert Ilg, der 1977 neunjährig mit seiner Familie in Hersbruck ankam, hörte hier vom Müllerhof in Großviehberg zum ersten Mal. Er konnte jedoch den teilweise weit angereisten Besuchern versprechen, dass sie im Zentrum der Kunst im Nürnberger Land angekommen waren.
Ilonka Fries, die Tochter des Künstlers, hat mit ihrer Familie ein zugleich ausgefeiltes und heimeliges Ausstellungskonzept entworfen und eigenhändig umgesetzt. Beim Betrachten der Werke wird deutlich, wie intensiv, ja vehement sich Wolfgang Fries mit allem auseinandersetzte, was sein Interesse weckte - sei es das Christentum, die östliche Religionen oder Werktechniken. Ein Jahr lang pilgerte er täglich zum Zeichnen in den Nürnberger Tiergarten zu pilgern. Zum Meditieren stand er nächtens auf. All dies führte zu einer Verdichtung seiner Zeichenkunst. Tiere, der rote Faden der Ausstellung, wurden intensiv beobachtet, akribisch gezeichnet und schließlich reduziert und in einen rhythmischen Kontext gebracht, der sich in den Wandteppichen oder auf den keramischen Dosen in zyklischer Wiederholung widerspiegelt. Der feine Humor, der sich im Strich des Künstlers zeigt, macht das Betrachten seiner Werke zum echten Vergnügen.
Publikumspreise für beliebteste Werke verliehen
Wann immer man in letzter Zeit durch Hersbruck gegangen ist, sie waren überall: die Menschen, die, den Flyer des Kunstspaziergangs aufgefaltet in Händen, auf der Suche nach Kunst durch die Innenstadt geschlendert sind, in Ecken gespitzt und über die Geländer der Pegnitz gespäht haben, Gassen beschritten haben, die sie selbst als Einheimische noch nie gelaufen sind. Der Kunstspaziergang ist am 3. September zu Ende gegangen, die 39 Kunstwerke werden nach und nach aus dem Stadtbild verschwinden - oder noch ein wenig bleiben. Zum Abschluss gab es noch etwas Besonderes, ein Novum auf all den Outdoor-Kunst-Events, die das Team des Kunstmuseums Hersbruck in den letzten Jahren ehrenamtlich gestemmt hat: eine Abstimmung des Publikums mit Preisen, gestiftet von der Sparkasse Nürnberg. 176 Stimmen wurden elektronisch abgegeben und ausgewertet. Die allermeisten konnte „Tauchgang“ von Ruth Wittmann und Heinz Thurn auf sich vereinen. Nachdem das Boot in den letzten Tagen der Ausstellung von Unbekannt losgeschnitten worden war und die Pegnitz hinab getrieben ist, wurde es von der Wasserwacht Hersbruck geborgen und die beiden Künstler waren nach diesem Auf und Ab besonders glücklich über die Auszeichnung in Höhe von 300 Euro für die ersten fünf Preisträger. Platz zwei belegte das Bild „Der Weg in der Wiese“ von Gulschan Rokzad, das sie nach dem Diebstahl ihres ursprünglichen Ölbilds aus dem Wassertor noch einmal neu gemalt hatte. Gleich viele Stimmen entfielen auf die farbige Außengestaltung der Fassade des Kunstmuseums durch Barbara Engelhard. Den vereinzelten kritischen Stimmen zu diesem Patchwork-Teppich aus Kunstrasen am Spitaltor standen viele positive Stimmen erfreuter Kunstfreunde gegenüber. Ebenso viele Stimmen erhielt Bildhauer Uli Olpps Installation „Das Blatt wendet sich…“ im Pegnitzarm an der Mühlstraße. Große, dramatisch im Wasser sich drehende stilisierte Blattformen in Rot und Blau warnen vor dem stets sich beschleunigenden Klimawandel.
Während sich Barbara Engelhard und Uli Olpp so den dritten Platz teilen, beförderten die Stimmen der Kunstinteressierten Kornelia Klonens farbenfrohe „Durchreisende“ im Rentnersgärtla auf die nächste Stufe des Siegertreppchens. Ihre lebensfrohen Nonsens-Figuren, die auch Diversität symbolisieren befinden sich „auf der Reise durch einen Ort, der nicht das eigentliche Ziel ist“, erläutert die Kuhnhofer Künstlerin mit Atelier in Nürnberg. Otfried Bürger, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Sparkasse Nürnberg und die Filialleiterin der Sparkasse Hersbruck, Simone Heubeck, freuten sich, einem so öffentlichkeitswirksamen Kunstformat Anerkennung zollen zu können. „ Ich bin begeistert von der Kunstszene in Hersbruck“, so Otfried Bürger. „ Als Sponsoren unterstützen wir dieses besondere Engagement immer wieder gerne!“. Da es dem Förderverein Kunstmuseum Hersbruck trotz aller Anstrengungen nicht gelungen war, öffentliche Fördergelder für die Veranstaltung zu erhalten, sind die Preise nur ein Teil des riesigen Dankeschöns, das der Verein - und vielleicht auch die Hersbrucker Kunstliebhaber- allen Kreativen aussprechen möchten, die Hersbruck einen so vielfältigen Kunstsommer geschenkt haben.
Text: Ute Scharrer und Uli Olpp
Gestohlen, beschädigt, losgeschnitten
So schlimm war es noch nie: in den rund fünf Wochen, in denen der Kunstspaziergang Hersbruck 2023 zahlreiche Besucher erfreut hat, wurden auch einige Kunstwerke beschädigt oder entwendet. Bei den betroffenen Kunstschaffenden bleibt eine nagende Ungewissheit: wollten die Täter einfach aus falsch verstandenem Jux im Vorbeigehen etwas kaputt machen oder wurden Werke oder ihre Schöpfer gezielt angegriffen?
„Ich habe schon fast so etwas erwartet,“ sagt die Weigendorfer Künstlerin Nora Matocza. Bei ihrer filigranen, mehrteiligen Arbeit aus Acrylglas, die im Brunnen vor der Spitalkirche den von ihr gewünschten Standort fand, wurden Teile abgebrochen. Mit ihrer Tochter reparierte und klebte sie die achtlos auf die Straße geworfenen Stücke wieder an. Nur Stunden später war die Arbeit zum zweiten Mal zerstört. Nora Matocza schließt einen gezielten Angriff wegen der Thematik ihrer Arbeit nicht aus. „Alle drei Tage? Alle drei Tage“ hat sie die klagenden, die Hände ringenden und ihr Leid mit dem Megaphon herausschreienden Frauen- und Mädchenfiguren genannt, die sie in Schwarz- und Grautönen auf das zerbrechliche Material gemalt hat. Der Titel bezieht sich auf die Recherchen der Femizidforscherin Kristina Wolff, die mitzählt, wenn alle drei Tage in Deutschland ein Mord an einer Frau begangen wird, meist durch deren Partner. Wolff möchte diesem schrecklichen Geschehen mehr Aufmerksamkeit verschaffen und Nora Matocza schloss sich mit ihrer Arbeit dem Anliegen der Aktivistin an. Sie kann sich vorstellen, dass genau dieses Thema, das auf dem Schild neben der Arbeit auch erwähnt wird, jemand so verärgerte, dass er zugeschlagen hat.
Auch Gulschan Rokzad schließt nicht völlig aus, dass der Diebstahl ihres Gemäldes, das bereits vor der offiziellen Eröffnung des Kunstspaziergangs von der Wand im Wassertor gerissen und entwendet wurde, ihr persönlich gilt. Ein sichtbarer Fußtritt an der Wand und Kritzeleien wirken wie eine krude „Signatur“ der Täter. Gulschan Rokzads Freude über ihre erste Teilnahme an einem Kunstspaziergang war zunächst riesig:“ Ich habe mich so gefreut, dem schönen Städtchen Hersbruck etwas zurückgeben zu dürfen!“. Das Motiv ihres Großformats, ein gewundener Pfad durch eine idyllisch wirkende Landschaft, taucht bei der Künstlerin immer wieder in Träumen auf - und in ihrer Malerei. Mit 5 Jahren floh die Kurdin mit ihrer Familie aus Darbahndika im Nordirak in den Iran, schließlich kam sie nach Deutschland. Der Pfad im Bild ist für sie Symbol, dass man vieles schaffen kann, wenn man nur beharrlich seinen Weg geht. Rokzad wollte Betrachter inspirieren und ermutigen. „Es war mein allerliebstes Bild,“ sagt sie. “Durch den Diebstahl musste ich lernen, los zu lassen.“
Ebenfalls noch vor der Eröffnung verschwand Marco Pellizollas kleine schwimmende Stadt mit dem Titel „3 Maggio 2023, Un Pensiero“. Mit der im Wasser treibenden Skulptur wollte er an die verheerenden Überschwemmungen in seiner Heimat in Italien Anfang Mai diesen Jahres erinnern. Ob nun sein Kunstwerk in einer Art kosmischer Ironie abgeschwemmt wurde oder ob sie jemand in den Fluss losgelassen oder mitgenommen hat, wird sich wohl nicht mehr aufklären.
Ruth Wittmann wollte ihren Augen kaum trauen: fast täglich sah sie nach ihrem gemeinsam mit Heinz Thurn geschaffenen Kanu „Tauchgang“, das es zweimal in die Veranstaltungstipps der Nürnberger Nachrichten geschafft hat. Am vergangenen Samstagmorgen war es einfach nicht mehr da, die vier Halteseile glatt durchtrennt. „Welche Arbeit wir uns mit dem Kanu gemacht haben!“, erzählt Ruth Wittmann von den mehrfachen Treffen, den Überlegungen hin und her und ihrem Mühen, einen dreidimensionalen Kopf auf dem Bug des Kanus anzufertigen, geflochten aus Zweigen; sie berichtet vom Transport der großen Arbeit und dem „Stapellauf“ des Kunstwerks mit Hilfe von Freunden und Familie. „Ich kann es irgendwie nicht glauben, dass jemand uns so etwas antut. Man hängt doch an seinen Werken!“.
Unterkriegen lässt sich keine der Künstlerinnen. Nora Matocza ist fest entschlossen, unbequemen Themen in ihrem Oeuvre noch mehr Platz einzuräumen. Gulschan Rokzad hat zwei Tage lang nur geschlafen, gegessen, vor allem aber gemalt, um ihr Werk noch einmal zu erschaffen und ihr sehr persönliches Bild mit Botschaft möglichst schnell wieder an die Wand zu bringen. Ruth Wittmann und Heinz Thurn bemühen sich derzeit um die Bergung ihres Kanus, das pegnitzabwärts gefunden wurde. Die beiden wären in einer neuen Runde des Kunstspaziergangs wieder dabei. „Jetzt erst recht!“, diese Reaktion ist allen Geschädigten abzuspüren.
m Rahmen der neuen Reihe des Kunstmuseums stand zum Auftakt ein Atelierbesuch bei Künstlerin Nora Matocza in Weigendorf an. Rund 30 Besucherinnen und Besucher erklommen die steilen Stufen durch den frühlingshaft blühenden Garten, vorbei am Wohnhaus bis hinauf ins lichte Atelier. Die große Fensterwand ermöglicht einen Blick in die fränkische Landschaft und im Atelier waren all die Utensilien zu finden, die man in einer Künstlerklause erwartet: Buntstifte, farblich in Bechern geordnet, üppige Tulpen, unbeholfene Kinderzeichnungen, kleine Skulpturen, die Postkarten mit anregenden Werken großer Vorbilder - und natürlich die aktuellen Werke Nora Matoczas selbst, die in magischem Licht und dominiert von Blau- und Violetttönen die Blicke der Betrachter auf sich zogen. Anita Magdalena Franz, die die Besuchsreihe ins Leben gerufen hatte, begrüßte mit Nora Matocza die Gäste.
Nora Matocza stellte eine ganz spezielle Werkreihe vor: eine Serie architektonischer Gemälde waren 1990 in Los Angeles entstanden. Als die Künstlerin sie wieder hervorzog, juckte es sie in den Fingern, mit dem heute viel größeren malerischen Können noch einmal über die Bilder zu gehen und einen Eindruck größerer Geschlossenheit zu erzeugen, eine Arbeit, die die Künstlerin derzeit befeuert.
Bei einem Gläschen Sekt oder Apfelsaft aus eigener Pressung beantwortete Nora Matocza alle Fragen ihrer Besucher, unter denen auch viele Schüler aus den Jahren ihrer Lehrtätigkeit waren.
Die Reihe wird fortgesetzt, wer weitere Termine mitbekommen möchte, kann sich an info@kunstmuseum-hersbruck.de wenden.
Eine gut besuchte Eröffnung in einem immersiven Gesamtkunstwerk
Kunsthistorikerin Eva Schickler führt in die ungewöhnliche Ausstellung Barbara Engelhards ein
"Hier kann man die Kunst mit Füßen treten," scherzt Stadtrat Götz Reichel scherzt bei der Eröffnung der Ausstellung von Künstlerin Barbara Engelhard im Kunstmuseum Hersbruck. Er hat nicht unrecht, denn die vielfach preisgekrönte Künstlerin aus Fürth begnügt sich nicht damit, die Wände des Museums mit Bildern zu behängen: sie wandelt den gesamten Raum um, gestaltet den Fussboden mit dem Material ihrer Wahl, dem Kunstrasen und richt diesen sogar auf den an Schneewittchen und ihre sieben Gefährten erinnernden Tellerchen in der Vitrine an. Die Laudatorin Eva Schickler beschreibt die Installation folgerichtig als immersive Kunsterfahrung. Bereits die farbig gestalteten Fachwerkfelder des Torwärterhäuschens sind b von der Straße aus zu sehen und sorgen für einen völlig neuen Eindruck der fränkischen Fachwerkarchitektur, ein echter Hingucker in der Altstadt. Die an Nägeln aufgehängten "Fassaden-Teppiche" aus Kunstrasen sind nicht schädlich für den Untergrund und können nach Ende der Kunstschau wieder entfernt und weiter verwendet werden. Laut Kunsthistorikerin Eva Schickler verleiht das bunte Fachwerk den vertrauten historisch-fränkischen Strukturen der Heimatstadt einen neuen Blickwinkel. Im Innern des Torwärterhäuschens regt die Ausstellung die Ausschüttung der Glückshormone Serotonin und Dopamin an, so Eva Schickler. Ein Arrangement im Obergeschoß lädt Besucher ein, über die Kunstwerke auf farbigen Sitzwürfeln zu diskutieren. Zur Eröffnung der Schau war neben Freunden, Familie und der Kunstszene Hersbrucks auch Barbara Engelhards ehemaliger Professor Werner Knaupp anwesend, der die vorhergehende Ausstellung im Kunstmuseum bespielt hatte.
Die Schau ist bis 22. Juli geöffnet und freitags und samstags von 16 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt zugänglich. Eine Spende wird erbeten, und sonntags ist eine Anmeldung unter info@kunstmuseum-hersbruck.de erforderlich.
Home colourful Home.
Barbara Engelhard ist eine Künstlerin aus Fürth, die in ganz Deutschland tätig und in Nürnberg z.B. bei der blauen Nacht aktiv ist. Sie hat Kunst und Kunst im öffentlichen Raum in Nürnberg studiert und Kunst im öffentlichen Raum ist es, wenn die künstlerische Idee aus dem Innenraum des Museums auf der Fassade weiterwuchert. Wem das 700 Jahre alte Häuschen am Spitaltor bisher noch nicht aufgefallen ist, sieht es jetzt zum ersten Mal ganz neu. Die alte Sehgewohnheiten auf fränkisches Fachwerk werden durchbrochen. Die Gefache sind plötzlich bunt, flauschig und müssten unserem Zeitgeschmack sehr entsprechen. Dass dabei auch die Sanierungsbedürftigkeit des Holzes zu sehen ist, ist natürlicher Nebeneffekt.
Zeitgeschmack ist es auch, die eigenen vier Wände möglichst kuschelig zu machen, um die Unbill der Welt draußen zu halten. Das ist der ironische Fingerzeig des ganz und gar verzauberten Inneren des kleinen Museums, das komplett mit Kunstrasen ausgelegt wurde und das, was hier normalerweise an der Wand hängt, darf betreten werden, ein Bild, das von der Wand auf den Boden gerutscht ist und die Betrachter.innen können sich im Bild bewegen. Erstaunlich, wieviel Möglichkeiten das durchgehend benutzte Material des spießbürgerlichen Kunstrasens bietet. Bildobjekte aus lackierten Platten und „Rasenstücken“ kombiniert, erinnern an konkrete und konstruktive Malerei, die sich nur auf geometrische Formen reduzierte.
Die Haptik des Kunstrasens führt die Materialität der Farbe weiter, die ersehnte künstlerische Handschrift zeigt sich im Gestus der Materialauswahl und fasert in den Raum. Ein surrealistischer gedeckter Tisch oder eher ein Picknick, ein dreidimensionales Stillleben: leider kann man hier nicht zugreifen. Welches Rasenstück ist das appetitlichste- oder was passiert eigentlich mit uns, wenn wir Mikroplastik essen? Eine nachgebildete, keimfreie Natur, ein Kunst-Natur-Spiel, ein Verweis auf Manets Frühstück im Grünen oder Meret Oppenheims Pelztasse. Dem gedanklichen Flow wird hier durch die explizite Kunstgeste der benutzten Vitrine auch noch der Weg in die Reflexion der Museumsbräuche gewiesen. Und es wird doch wohl auch noch gemalt werden, oder? Ja, sieh da, an der Wand hängen, die zur Ausführung der Kunstrasenbilder benutzten Pinsel!
Im oberen Stockwerk ist das runde Bild am Boden mit beweglichen dreidimensionalen Elementen zur selbsttätigen
Gestaltung durch die Besucher freigegeben. Oder ist es doch nur ein Teppich mit Sitzhockern?
Ach ja, und das Streicheln der Objekte ist ausnahmsweise erlaubt!
Was ist wichtig?
Künstlermitglieder des Kunstmuseums zeigen Positionen im Hirtenmuseum
Es sind komplizierte Zeiten und für Kunstschaffende keine leichten. Künstlerinnen und Künstler stellen sich die Frage: „Was ist wichtig?“und die noch bangere Frage: „Sind wir als Kunstschaffende noch wichtig? „WICHTIG!“ ist das Thema der Jahresausstellung der Künstlermitglieder des Kunstmuseums Hersbruck und in fast fünfzig Arbeiten, die in den Räumen des Hirtenmuseums bis zum 15. Januar zu sehen sind, spiegelt sich wider, was die Künstler aus Hersbruck und Umgebung bewegt.
In anrührender Weise gradlinig ist Hersbruckerin Anke Hahns Bleistiftzeichnung mit dem Titel „Was mir wichtig ist“. Sie hat ihre Katze gezeichnet, etwas zu essen und zu trinken und eine Gasleitung. Grundbedürfnisse und die Sehnsucht nach Gemeinschaft möchten gestillt werden.
Reiner Zitta aus Pühlheim beantwortet in gewohnt schlitzohriger Weise die Frage, wem er wichtig sei mit dem Satz „Vier meine Omas bin ich wichtig/ und die Waschmaschine, sagen´s“, stellt er Enkel und Elektrogerät nebeneinander. Ein zahnlückiges Kleinkind in Unterhöschen, Schnürstiefelchen und Matrosenkäppi, und darüber die ebenso zahnlückigen Omas, alles ausgesägt aus Fundholz und bemalt.
Walter Bauer aus Nürnberg baut seine Bilder dieses Jahr aus Worten „WICHTIG WIEDER NICHTS WICHTIG“ liest man da.
Martin Scheder aus Kursberg erinnert dran, dass bei allem eingebunden Sein in die Probleme des Hier und Jetzt der Blick zurück nicht fehlen darf, um Perspektive zu gewinnen. „Geschichte ist wichtig“, betont er und verbildlicht das mit seinen unvergleichlichen künstlerischen Mitteln: er baut geschichtliche Ereignisse aus gesammelten Tierknochen nach. Dass Werke von solchem Ernst und ein gewisser Morbidität einem ein Lächeln entlocken können, erstaunt und hängt vielleicht mit dem quirligen Erfindergeist des Skulpteurs zusammen und den Rätseln, die er aufgibt.
Sigrun Albert aus Engenthal möchte mit intuitiven roten Tempera- und Pigmentspuren auf Papier, die auf seltsame Weise menschlichen Silhouetten gleichen, innere Zustände in diesen aufwühlenden Zeiten sichtbar machen.
Christoph Gerling aus Deckersberg hat drei auf den ersten Blick identische, intensiv bekritzelte Türen auf seinen Morgenspaziergängen in Lyon fotografiert. Zwischen den Fotografien vergeht Zeit und in dieser kommen weitere Kritzeleien dazu. Auch der Künstler hat noch Pastellspuren hinterlassen.
Ingrid Pflaum, die als Leiterin des Hirtenmuseums und als 2. Vorsitzenden des Fördervereins Kunstmuseum Hersbruck die zahlreich erschienenen Gäste herzlich begrüßte, zeigt mit ihrer Farbfeldmalerei, wie wichtig der meditative und achtsame Malvorgang für sie selbst ist.
Agathe Meier aus Reichenschwand legt den Finger in eine weitere offene Wunde unserer Zeit und nennt ihr Bild „Lebensräume erhalten“. Ihr brennender Baum als Symbol für dieses brennende Anliegen ist so schön gemalt, dass man sich diese umweltpolitische Aussage glatt übers Sofa hängen möchte. Karin Plank-Hauter nennt ihre filigran aus empfindlichem Papier gebauten und hauchfein bemalten Natur-Altärchen „Kleine Gebete“, Gebete vielleicht um das Bestehen der Naturschönheiten, die noch nicht aus unserer Welt verschwunden sind. Ellenbacherin Melanie Hehlingers temperamentvolle Kritik an Sexismus und patriarchalen Strukturen, „Uterus Riots“ enthält eine Anspielung auf die russischen Punk-Aktivistinnen Pussy Riot und plädiert vehement und tagesaktuell für Frauenrechte und Selbstbestimmung.
Jedes Werk in der an Facetten reichen Schau trifft eine Aussage, etwas, das derzeit wieder in die Kunst zurückkehren darf. Mitmenschen werden als wichtig genannt und ihre Zerbrechlichkeit thematisiert, der Frieden als Wunschziel kommt vor, die Wichtigkeit von Werten, Selbstfürsorge und positiven Glaubenssätzen, vom guten Leben miteinander, vom Achthaben aufeinander.
Die einen Werke sind leichter zu lesen, andere sprechen durch ihre Wirkung auf den Betrachter.
Bürgermeister Robert Ilg appellierte in seiner Begrüßung in diesen ganz besonderen Ausstellungsräumen der Stadt an alle Kulturliebhaber: „Wir müssen uns auch aufraffen und Kulturveranstaltungen besuchen, wenn wir möchten, dass die Künste und Künstler überleben!“.
Die anwesende Künstlerszene nützte die Gunst der Stunde, um nach langer Zwangspause wieder miteinander und mit Kunstfreunden ins Gespräch zu kommen. Auf dem Weg aus dem Museum verabschiedete von der Fassade der Scheune Christian Oberlanders Lichtmalerei „Nicht so wichtig!“ die heimwärts Gewandten.
Die Ausstellung „Wichtig!“ Ist bis zum 15. Januar im Hirtenmuseum, Eisenhüttlein 7 in Hersbruck jeweils Freitag bis Sonntag von 10 bis 16 Uhr zu sehen.
Rückblick bei Cool Jazz und Häppchen
Das Kunstmuseum Hersbruck holte den zwanzigsten Geburtstag um zwei Jahre verspätet nach
Dieser Veranstaltungsort war für die Jubiläumsfeier des Kunstmuseums Hersbruck ein Geheimtipp und bei den hohen Temperaturen einer der angenehmsten Orte, um sich aufzuhalten: im Graben zwischen dem seit 22 Jahren bestehenden Kunstmuseum und der Mühlstraße warfen die hohen Mauern der Stadtbefestigung angenehmen Schatten, es wurden mediterrane Häppchen angeboten und Gerlinde Berger und Dieter Serfas boten an der Sektbar prickelnde Getränke an. Wie eine sanfte Prise wehte die lässige Jazzmusik von Saxophonist Achim Goettert durch den Stadtgraben, die Formation „Faces“ mit Peter Pelzner an der Gitarre, Hendrik Gosmann am Bass und Charles Blackledge am Schlagzeug groovte die zahlreich erschienenen Gäste in Sommerstimmung. Im Museum selbst waren nur für einen Tag illustrierte Gedichte von der Original Hersbrucker Bücherwerkstätte zu sehen und Restbestände aus dem Kunstomat Hersbruck konnten zum Schnäppchenpreis erworben werden. Der Rückblick auf zwanzig Jahre Ausstellungen im Kunstmuseum plus zwei Jahre Corona-Zeit, in der keine Festivitäten möglich waren, wurde durch Plakate dokumentiert. Viele Wegbegleiter schauten vorbei, um diesem Kulturort unter angenehmsten Bedingungen die Ehre zu erweisen.
Wuchtige Werke
Der renommierte Künstler Werner Knaupp zeigt im Kunstmuseum Hersbruck eine verdichtete Schau aktueller Arbeiten
„Sie haben mir bestimmt die abenteuerlichste Ausstellung meines Lebens beschert!“, wandte sich der Maler Werner Knaupp an den Leiter des Kunstmuseums Hersbruck, Uli Olpp. Das will etwas heißen, denn Werner Knaupp hat bei den Großen und mit den Großen ausgestellt. Und nun sind die Ausstellungsräume so klein, dass bis kurz vor der Eröffnung nicht feststand, ob die größten Arbeiten, die je im Torwärterhäuschen des Spitals zu sehen waren, überhaupt durch Tür und Treppenhaus passen. Das Treppengeländer musste weichen, um für die nötigen letzten Millimeter Raum zu schaffen. Das Ergebnis ist eine Bilderschau, die dem Betrachtenden nahe rückt und kein Ausweichen zulässt, weder optisch noch thematisch. „Die Enge in den Räumen zwingt mich dazu, mit radikaler Konsequenz nur das Wesentliche zu zeigen,“ erläutert Knaupp selbst. Und dieses Wesentliche hat Wucht, wie Prof. Dr. Daniel Hess, Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, es in seiner Laudatio formuliert: „In Werner Knaupps Werk begegnen sich Ozean und Vulkan, Wasser und Fels elementar, immer wieder aufs Neue. Knaupp geht es um das Ganze: um das Essentielle und Ursächliche, um das Werden und Vergehen, um Leben und Tod, wobei der Tod kein Endstadium bezeichnet, sondern wieder zu neuem Leben führt.“ „FEUER WASSER LEBEN“ ist die Ausstellung betitelt und wie es sich zwischen den glühenden Lavaformationen im Obergeschoß und der kabbeligen See im Untergeschoß und anfühlt, das beschreibt Dr. Daniel Hess eindringlich: „Wie Ertrinkende suchen wir mit einem letzten Blick den schmalen weißen Horizontstreifen an der oberen Bildkante des bleiern schwarz daliegenden Wassers, bevor wir im Schwarz des tiefen Ozeans versinken… Werner Knaupp sagt, dass er mit seiner Arbeit dort beginne, wo die Worte fehlen. Das, womit sich die meisten Menschen nicht beschäftigen wollen, macht er zu seinem zentralen Thema: das Sterben und Vergehen, den Tod.“
Die Intensität des Schaffens an den durchweg jungen Arbeiten und die Auswirkungen auf Knaupps Atelier beschreibt Hess augenzwinkernd so: „Die ausgeworfene Lava überzieht Schuhe, Farbeimer und Möbel, überschwemmt das gesamte Atelier. Vorsichtig setzt man als Besucher den nächsten Schritt, um Schuhe und Hosen zu schonen und nicht in ein noch feuchtes Bild zu treten.“
Knaupp jedenfalls ist von der Anordnung seiner Bilder begeistert: „Hersbruck muss endlich begreifen, welch ein Kleinod es mit dem Kunstmuseum hat!“, lobt er auch die ehrenamtlich erbrachte Arbeit des Museumsteams.
Eine große Anzahl Kunstliebhaber hatte sich zur Eröffnung versammelt und drängte ins Museum, um die Arbeiten, die noch nie im Umraum zu sehen waren, zu betrachten. Die ganze Rede von Dr. Daniel Hess finden Sie hier:
Ausstellung Kunstmuseum Hersbruck
Werner Knaupp: Feuer – Wasser - Leben, Eröffnung 9. Oktober 2022
Daniel Hess
Hast Du den Gipfel erreicht, dann klettere weiter, besagt ein tibetisches Sprichwort. Werner Knaupp hat immer weitergemalt, nach den Kugelschreiberbildern, den Verbrennungen, den Bergen, den Blumen, den Westmännerinseln und nun den Vulkanen und Totenschädeln.
Dass Kunst nicht nur an der äußeren Erscheinung verhafte, sondern auch in das Innere, in den Kern vordringen müsse, war künstlerischer Anspruch seit der Frühen Neuzeit. Seit dem 18. Jh. galt dies auch für das neu entstehende Landschaftsbild. Die Natur sollte in ihrer tiefsten Bedeutung, in ihrem eigentlichen Sinn wiedergegeben werden. Die Bilder von Vulkanausbrüchen sollten etwa den vulkanischen Ursprung der Erde visuell belegen. Im Zeitalter Goethes traten mit diesen Bildern die Plutonisten gegen die Neptunisten an, die behaupteten, dass alle Gesteine aus einem Ur-Ozean entstanden seien.
Warum erwähne ich das? In Werner Knaupps Werk begegnen sich Ozean und Vulkan, Wasser und Fels elementar, immer wieder aufs Neue. Knaupp geht es um das Ganze: um das Essentielle und Ursächliche, um das Werden und Vergehen, um Leben und Tod, wobei der Tod kein Endstadium bezeichnet, sondern wieder zu neuem Leben führt. Diesem Werden und Vergehen sind auch die Bilder unterworfen: Nur wenig hat Bestand, Altes wird übermalt: So verglühte Blume um Blume seiner Fotoserie aus den Jahren ab 2012 im Schlund eines brodelnden Vulkans, der seinerseits zum Totenschädel mutierte. Die Bilder lagern sich wie Sedimente auf den immer wieder neu verwendeten Bildträgern ab.
Knaupp ist entschiedener Plutonist, sein Atelier ein Vulkan: Über Boden, Wände und Möbel verteilen sich die Spritzer glühender Lavafetzen und vulkanischer Bomben. Über den Boden fließt glutrot-gelbe Lava, auf der die gerade in Arbeit befindlichen Gemälde glühend schwarzer Schädel wie erkaltende Lavafelder treiben. Im Vulkaninneren wird das Feuer täglich neu geschürt, werden die über Nacht an der Oberfläche verkrusteten pyroklastischen Ströme neu verflüssigt. Die ausgeworfene Lava überzieht Schuhe, Farbeimer und Möbel, überschwemmt das gesamte Atelier. Vorsichtig setzt man als Besucher den nächsten Schritt, um Schuhe und Hosen zu schonen und nicht in ein noch feuchtes Bild zu treten. Ein Ufer ist nicht in Sicht; wild mit Farbspritzern übersät ist auch der weiße Vorhang, der den Blick in den von Barbara Knaupp liebevoll gepflegten Garten und weiter hinaus in die fränkische Landschaft asketisch aussperrt.
Werner Knaupp sagt, dass er mit seiner Arbeit dort beginne, wo die Worte fehlen. Das, womit sich die meisten Menschen nicht beschäftigen wollen, macht er zu seinem zentralen Thema: das Sterben
und Vergehen, den Tod. Das Bewusstwerden der eigenen Sterblichkeit war die Funktion eines auf Askese und die Absage an alles Weltliche ausgerichteten christlichen Lebens schon in Mittelalter und
Barockzeit. In den Darstellungen der Vanitas und der Begegnung von Lebenden und Toten, im Totentanz oder den gruseligen, nurmehr mit Hautfetzen bekleideten Tötlein-Figuren fand das Erkennen der
eigenen Vergänglichkeit seinen bildlichen Ausdruck. Auch Knaupps Werke sind Memento-mori-Bilder, die uns zu einer Auseinandersetzung mit den letzten Dingen zwingen.
Es überrascht daher wenig, dass die hinterste Ecke seines Ateliers der Meditation über die Vergänglichkeit dient: ein rotblauer Rietveld-Stuhl vor acht Totenschädeln vor einem Gemälde der
Westmänner-Inseln im Süden Islands. Sie haben ihren Namen von irischen Sklaven, die ihre Herren erschlagen hatten, auf die Inseln flüchteten und dort später ebenfalls erschlagen wurden. Ihre
Schädel liegen nun am Strand vor den sich überschlagenden Fluten, in Knaupps Atelier.
Die Inseln selbst sind Überreste eines größtenteils submarinen Vulkansystems, dessen verglühte und erodierte Magmaschlote nun als Tuffkegel aus dem tosenden Nordmeer emporragen. Von den Vulkanen hat nur das ehemals flüssige, dann erstarrte Innere der Erosion standgehalten. Was flüssig war, wurde Fels und wird nun vom Meer umbrandet, das an den Vulkanresten nagt. Diese Inseln und das tosend und donnernd an die Inseln schlagende Wasser ist das thematische Zentrum der Hersbrucker Ausstellung. Das Erdgeschoss wird von stürmisch aufgepeitschten Wellen überflutet, mitunter ist der Wind so stark, dass er die Wellenkämme glattstreicht. Wie Ertrinkende suchen wir mit einem letzten Blick den schmalen weißen Horizontstreifen an der oberen Bildkante des bleiern schwarz daliegenden Wassers, bevor wir im Schwarz des tiefen Ozeans versinken.
Maler und Betrachter werden selbst zum Wasser, ein Prozess, den Werner Knaupp am Beispiel eines von ihm in Tokio beobachteten Mönchs beschreibt, der sich in höchster Konzentration dem Malen von
Schilfrohr widmete, Blatt um Blatt neu ansetzte und schließlich nur noch den das Schilf bewegenden Wind malte; während des Malens war der Mönch selber zum Schilf geworden.
Leinwand um Leinwand, in gleichbleibenden Formaten ließen Knaupp im 2002-2012 entstandenen Zyklus der Westmänner-Bildern selber zum Wasser zu werden, dem er als elementares Erlebnis, vor allem in
seinen existentiellen, bedrohlichen Formen mit breit ausgreifendem Pinsel mit dem eigenen Körper bis zum Ertrinken Ausdruck zu geben versuchte. Er habe mit diesen Bildern das Malen von Grund auf
neu lernen müssen, immer wieder, bis zum Umfallen.
Auch viele Gemälde aus dieser Serie haben keinen Bestand; im Atelier warten sie an die Wand gestapelt auf ihre Übermalung. Bei unserem Besuch im Juni liegt eines dieser Bilder auf dem Boden und zeigt sich mit ersten Schichten noch feuchter Malerei. Die Leinwand hängt schwer durch; die Keilrahmenleisten zeichnen sich in der glänzenden Oberfläche ab. Was nun folgt, ist nicht ohne Risiko und trägt das Scheitern in sich, wie ein vom Künstler an der Stirnwand seines Präsentations- und Archivraumes sorgfältig arrangiertes Stillleben verdeutlicht. Unter den explodierenden Vulkanausbrüchen und glühenden Lavaströmen liegt ein an seinem Gewicht von zentimenterdicken Farbschichten und Übermalungen zerbrochenes, dann zerschnittenes Bild mit dem geborstenen Keilrahmen. Auf der Rückseite der Leinwand ist vermerkt: „Werner Knaupp / Westmännerinseln / 7.10.08“ (doppelt durchgestrichen); verzeichnet ist auch das Format „240 x 155 cm“. Im August bot sich dieses vor den unversehrten Westmänner-Bildern liegende Bilderwrack wie ein an den Klippen zerschelltes Schiff dar; sorgfältig vom Künstler inszeniert.
Die Begegnungen mit Werner und Barbara Knaupp sind immer wieder ein Erlebnis: Auch bei diesen Begegnungen geht es um das Ganze: um Berge, Vulkane und das Meer als elementare Erlebnisse. Wir tauschen uns aus. Wo die Worte enden, beginne er zu malen, sagt Werner Knaupp. Ich belasse seine Bilder jenseits der Worte, gebe keine Einordnung oder Gebrauchsanweisung. Im Atelier versuche ich, das Erlebte, Gehörte und Gesehene visuell zu erfassen, taste mich heran:
Auf einem mit schwarzer Farbe übergossenen Holzsockel liegen ein pyramidenartiger Felsbrocken, der auf das lange und große Interesse des Malers an den Bergen hinweisen mag, daneben ein von Gletscher und Bach rundgeschliffener Stein; stammt er gar von der Küste der Westmännerinseln? und ein Totenschädel mit klaffendem Loch hinter der rechten Augenhöhle. Im Hintergrund dieses Stilllebens hantiert Werner Knaupp an den Bildern, die an der langen Präsentationswand gestapelt sind. Er schiebt die Kulissen für das Stück, das er seinen Besuchern gerade präsentiert.
Für zwei Monate füllen nun einige seiner Bilder das Hersbrucker Kunstmuseum aus. Beim Betrachten wird Besucher selbst zu Wasser und Vulkan. Es erwartet Sie ein elementares Erlebnis!
Vielen Dank
Provinz findet im Kopf statt
Den weltweit ausgestellten Künstler Werner Knaupp zieht es ausgerechnet in Hersbrucks winziges Kunstmuseum- Ein Atelierbesuch
Er müsste in einer der Metropolen wohnen, wo die Kunst sich ständig selbst erneuert und die Kultur keine Pause macht. Doch Werner Knaupp hat die Großstadt als Quelle der Inspiration für seine Kunst nie gebraucht und wird sie nie brauchen. Ihn interessieren allein die Kraft und Energien der Natur weltweit. Wer den Maler Werner Knaupp besucht, darf sich auf die Suche nach dem Dörfchen Ernhofen mitten im Alt-Nürnberger Land machen, wo die Strasse kurz nach seinem Anwesen endet. Werner Knaupp ist ein weit gereister Mann - es geschah allerdings auch, dass die Welt zu Werner Knaupp kam. Weltberühmte Musiker, Bergsteiger, Menschen aus Industrie und Politik, Kollegen, Museumsdirektoren und auch der Bundespräsident Walter Scheel waren zu Besuch im Atelier.
Der 1936 geborene Maler Werner Knaupp hat sich immer wieder an die Grenzbereiche des menschlichen Lebens vorgewagt, dorthin, wo viele nicht hindenken oder gar hinschauen möchten. Das Geheimnis um den Tod, über den in seinem Elternhaus nie geredet wurde, ließ ihn lebenslang nicht los. Knaupps Reisen in extreme Landschaften wie das ewige Eis, Gebirge, Wüsten und Vulkane, die „Schaltstellen der Erde“, an die er sich gefährlich nahe heran begab, sind nur ein Aspekt. Die Arbeit in einem Nervenkrankenhaus in Bayreuth, im Krematorium in Nürnberg und im Sterbehaus der Mutter Teresa in Kalkutta waren ebensolche Versuche, die Grenzbereiche menschlicher Existenz - und die eigenen Möglichkeiten - auszuloten: psychische Erkrankungen, das Sterben und was danach kommen mag. Nicht nur hinauszuschauen, sondern auch in sich hinein, um zu sehen, wie er reagiert, war und ist Knaupp wichtig, dabei habe er unheimlich viel gelernt. Heute sagt der 86-Jährige: „Das Sterben ist der spannendste Moment des ganzen Lebens. Wir wissen nicht, woher wir kommen und wohin wir gehen, doch wir wissen, dass die Natur eine ständige Umwandlung von Energie bedeutet. „Meine vordergründige Furcht vor dem Tod ist verschwunden“, so Knaupp. Die Einschränkungen, die mit dem Alter kommen, kämpft er energisch und zuweilen ungeduldig nieder.
Wer denkt, im Haus eines so existentiell in seiner Malerei forschenden Künstlershabe die Lebensfreude keinen Platz, der irrt. Im großen Wohnraum mit dem unverstellten Blick in die mittelfränkische Weite und zu den vor Dekaden selbst gepflanzten Obstbäumen, zeigen der Maler und seine Frau Barbara die Zeichnungen ihrer Enkelkinder, die seit Jahren einen Ehrenplatz im Raum einnehmen. Hier hängen sorgfältig ausgeführte Bleistiftporträts und witzige Bildergeschichten. Ums Eck dann wieder große Leinwände mit den Worten „Mord“ und „Abuse“ (Missbrauch), in denen sich Knaupp mit Zuständen in der Gesellschaft und der Kirche kritisch auseinandersetzte. Noch einmal ums Eck hängen und lehnen Werke seiner berühmten Künstlerkollegen, mit denen Knaupp ausgestellt und Werke getauscht hat. „Ein Stück Identität“, merkt Knaupp an.
Zum Atelier geht es steile Stufen hinab und durch farbbesprenkelte Vorhänge fällt Licht auf die neuesten Arbeiten. Auf lebhaften, atmosphärischen Oberflächen pulsieren starke Kontraste zwischen feurigen Gelb- und Rottönen und einem tiefen Schwarz. Die Eruptionen eines Vulkans sind zu erkennen. Auf die auf dem Atelierboden liegenden Malgründe wird mit Acrylfarbe gegossen und gespritzt. Das erzeugt einen anderen Eindruck als gemalte Flächen, die Schüttungen wirken spontan, organisch. Die vielen Schichten machen die Bilder sehr schwer. Der mit Farbe zentimeterdick besprenkelte Atelierboden legt Zeugnis vom intensiven Schaffensprozess ab. Erst bei näherer Betrachtung und im richtigen Licht tauchen aus tieferen Regionen der Farbschichten die Umrisse von Totenköpfen wie eine Erscheinung hervor. Um deren Form hat Knaupp jahrelang gerungen. Seine Frau Barbara, die sich seit Beginn ihrer im Studentenalter begonnenen Beziehung um die vermeintlich profaneren Seiten des Kunstschaffens ihres Mannes kümmert, ist auch eine hoch geschätzte Kritikerin.
„Wenn Innen und Außen in einem Gemälde identisch sind, dann ist ein Bild vielleicht fertig“, so Knaupp. 50 Jahre sind seit einem Aufstieg zum Ätna vergangen, damals beobachtete er einen Ausbruch „in seiner überirdischen Pracht“ aus allernächster Nähe, seine Knie zitterten, das Erlebnis hat ihn nie mehr losgelassen. Auch der Beinahe-Sturz aus dem Helikopter beim Überfliegen eines Vulkans auf Hawaii ist unvergesslich. Die Eindrücke von damals sind bei Werner Knaupp so frisch, dass sie sich in diesen aktuellen Arbeiten Ausdruck suchen. „Das sind Erlebnisse, die nach innen wachsen,“ stellt der Künstler fest. „Zunächst bedeutet ein Vulkanausbruch Tod. Flora, Fauna und Menschenwerk werden vernichtet.“
Es geht jedoch nicht um Tod und Sterben per se: im Angesicht der Endlichkeit aller Dinge intensiviert sich das Leben. Knaupps Gemälde sprühen vor Energie und Lebenskraft, das klingt im Titel der in Hersbrucker geplanten Ausstellung „Feuer - Wasser - Leben“ an.
Im Kunstmuseum werden die „Feuer“-Gemälde im Obergeschoss zu sehen sein, im Erdgeschoß „Wasser“-Bilder.
Mit diesen konfrontiert, dauert es nur wenige Augenblicke, bis die in grau, weiß und schwarz gehaltenen „Seestücke“ mit aufgewühlten Wellen und den markanten Felsformationen der Westmännerinseln ein Gefühl des Ausgesetztseins in den Elementen hervorruft, ein Schaukeln in der Magengrube, kühle Gischt fast auf der Haut zu spüren - so monumental, so bewegt, so kraftvoll sind diese Gemälde.
Die unvergesslichen Eindrücken unter Wasser, als er auf Hawaii in einer Tauchkapsel die lichtlose Tiefe erreichen konnte, hat Werner Knaupp begriffen, dass ab einer Tiefe von 100 Metern die Dunkelheit absolut wird. „Die Ozeane sind alle schwarz, die Spiegelung auf der Oberfläche ausgenommen.“
Da begann er 2002 spät in seiner Laufbahn überhaupt erst zu malen. Vorher gestaltete er Skulpturen, zeichnete mit Pastell und in seiner gewohnten Intensität auch mit dem eher ungewöhnlichen Medium des Kugelschreibers.
Zehn Jahre brauchte er, um Wasser zu malen. „Ich male nicht nur, was ich sehe, sondern was ich weiß!“. Es gibt Leinwände, die komplett schwarz sind, nur die Bewegung, der Sog des Elements Wasser ist haptisch zu erfühlen und wird im richtigen Licht sichtbar wie ein aus dem Fluss geschöpftes Viereck.
„Ich musste zum Wasser werden,“ so formuliert es Knaupp, „manchmal war ich fast seekrank“.
Die Professur an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg stellte in seinem Kunstschaffen eine Zäsur dar. Seine Engagement für die Studenten kostete Zeit, für die außergewöhnlichen Reisen mit seiner Klasse, etwa in die Sahara, nach New York und Auschwitz, trieb er enorme Spendensummen auf und stiftete sein Preisgeld vom NN-Kunstpreis.
Im Atelier mit den sorgfältig geordneten Bildbänden, die eigene Interessen, internationale Ausstellungsbeteiligungen und die Ziele einer intensiven Reisetätigkeit widerspiegeln, sticht eine Art „Scheiterhaufen“ aus zerlegten Holzleisten und zerschnittenen, von Farbschichten beschwerten Leinwandfragmenten ins Auge, von Knaupp bewusst gestaltet. „Kunst bedeutet Scheitern,“ sagt er dazu, „nach oben ist immer Luft!“.
Die Erlebnisse dieses intensiv gelebten Lebens können gar nicht alle erzählt werden. Vom „Atelier auf 3000 Meter“ erzählt Werner Knaupp, fast schwärmerisch beschreibt er die Schönheit von Mondnächten auf der Zugspitze, wo er ein Atelier hatte, ermöglicht vom Vorstandsvorsitzenden der Zugspitzbahn, Dr. Peter Hirt. Und erzählt davon, wie er dann mit dem damaligen Leiter der Kunsthalle Nürnberg, Dr. Lucius Grisebach die „Galerie der Bayerischen Zugspitzbahn“ ins Leben rief.
Von der 18 000-Kilometer-Reise 1974 mit Fotojournalist Dieter Blum und Dr. Karl-Ernst Buck im VW-Bus von Dhakar durch die gesamte Sahelzone bis Mombasa am Indischen Ozean, bis Kapstadt und ans Kap Hoorn und der Verhaftung durch die Schergen Idi Amins. Abenteuer, die heute kaum mehr vorstellbar erscheinen. Eine Reise voller Eindrücke, die in Knaupps erfolgreichste Schaffensperiode fiel.
Und wie kommt es nun, dass ein Maler, der in Galerien und Museen in ganz Deutschland, auf der Documenta und auch international vertreten war und ist, im Kunstmuseum einer Kleinstadt wie Hersbruck ausstellt, das an Quadratmetern zu den kleinsten Schauorten überhaupt zählen dürfte? Die posthume Werkschau seines Malerkollegen und Freundes Walter Raum 2020 in Hersbruck, für die er dort die Laudatio hielt, überzeugte ihn von der ambitionierten Arbeit des ehrenamtlichen Museumsteams. Und, so antwortet er auf die verwunderte Nachfrage: „Provinz findet im Kopf statt!“.
Regionale Kunst unter dem Hammer
Zum zweiten Mal wurde zugunsten der Kunst in Hersbruck eine Versteigerung abgehalten
„Zum ersten, zum zweiten und zum Dritten…“, Auktionator Götz Reichel lässt den Hammer auf sein Pult krachen und hat ein weiteres Kunstwerk verkauft. Bei der zweiten Runde der Kunstversteigerung zugunsten der Kunst im Öffentlichen Raum in Hersbruck zog die Auktion mehr Bieter an, die sich lebhafte und gut gelaunte Bieterstreite lieferten. Rund 50 Werke hatten regionale Kunstschaffende gespendet und auch die Kunstszene von Ferrara steuerte Einiges bei.
Die Künstlerinnen und Künstler, die Initiator Christoph Gerling um einen Beitrag gebeten hatte, profitieren von der Versteigerung nur sehr indirekt: wenn Formate wie „Kunst im Fluss“ und der „Kunstspaziergang“ weiterhin existieren, bieten sie auch Ausstellungsmöglichkeiten. Ganz direkt profitieren die Kunstliebhaber: sie konnten am gestrigen Abend wieder Schnäppchen machen. Kunstauktionen haftet das Etikett „elitär und teuer“ an, in Hersbruck zu Unrecht. Wurde ab und an die Schallmauer von 100 Euro für ein Originalwerk durchbrochen, gab es „Ohs und Ahs“ im Publikum. Götz Reichel scherzte zwar, er nehme auch Tausender, doch das teuerste Werk, ein mittelformatiges Ölgemälde von Luise Oechsler, kam für 160 Euro unter den Hammer. Dazulernen war auch möglich, und zwar ganz umsonst: Christoph Gerling erklärte seinem lernwilligen Auktionator Götz Reichel, dass es bei Kunstwerken nicht „bunt“ heiße, sondern „farbig“, erläuterte das Prinzip des Siebdrucks und des Holzschnitts und bot im Plauderstil Anekdoten zu den Kunstschaffenden. Heiße, wenn auch immer gut gelaunte Bieterstreite entbrannten etwa um ein Porträt in Öl von Nora Matocza oder einen kleinen Siebdruck von Ramona Wagner. Ein großformatiges Ölbild von Gerd Meingast ging an eine begeisterte neue Besitzerin und auch der Holzschnitt von Heinz Thurn mit dem schönen Titel „Machen wir es jetzt in der Nacht oder am Tag?“ fand ein neues Zuhause.
Rund 1800 Euro zählte am Ende des Abends Gastgeberin Ingrid Pflaum vom Hirtenmuseum, die selbst auch ein dreiteilige Farbfeld-Malerei verkaufen konnte, zusammen. „Das machen wir wieder!“, versprachen sich die Initiatoren. Dann lassen sich vielleicht noch mehr Kauflustige anlocken.
Die Sprache des Architekten
Kunstmuseum Hersbruck zeigt Zeichnungen aus 150 Jahren von Architekten aus Hersbruck und Umgebung
„Was hat eine architektonische Zeichnung mit Kunst zu tun?“ und in der Folge: „Was haben Architekturzeichnungen im Kunstmuseum verloren?“ Leicht provokante Fragen, gestellt von Museumsleiter Uli Olpp, selbst als Architekt ausgebildet, zur Eröffnung der neuen Schau „Architektur Zeichnung“ im Kunstmuseum Hersbruck. Die Fragen waren angesichts der ästhetischen handkolorierten Zeichnungen von Louis Fiedler fast schon beantwortet. Auch einen Bezug zu Hersbrucker Architekturträumen stellt die Ausstellung in Form der Diplomarbeit von Eduard Kappler her.
„Wenn die Vorstellung von Eduard Kapplers feudalem Rathausbau verwirklicht worden wäre, bräuchten wir uns heute über die Gestaltung von Plätzen im Stadtraum keine Gedanken zu machen- es wären nämlich keine mehr da“, scherzte Bürgermeister Robert Ilg angesichts des imposanten L-förmigen Baus mit Säulengängen zum Rauenbusch-Gebäude und einem Torbogen zur Poststrasse, das sich Eduard Kappler in seiner Diplomarbeit 1937 vorgestellt hatte. Doch die kleinformatigen, präzise gezeichneten Pläne, in denen Hersbrucks Zentrum mit seinen steilen Dächern leicht zu erkennen ist, sind ja eine Vision, die „Aufzeichnung eines Traums“, wie Uli Olpp es formulierte. „Der Architekt hat die Aufgabe, den Schatz des Lebens zu heben.“ Jeder Bauherr wünsche sich etwas Besonderes, dabei sei es auch wichtig, die bauliche Präsenz im Umraum nachhaltig und ressourcenschonend zu verwirklichen, dabei Geborgenheit, Schutz und Heimat schaffen. Oder: „Schön soll es ein, aber kosten darf es nichts,“ wie Robert Ilg die Realitäten des Städtebaus zusammenfasste.
Erste Skizzen könnten, so Uli Olpp, dabei helfen, die Vision aus dem Kopf auf das Papier zu bringen und auch für die Auftraggeber sichtbar zu machen. „Die Zeichnung ist die Sprache des Architekten“, zitierte er das Credo der kanadischen Architektur-Ikone Louis Kahn.
Und Zeichnungen gibt es viele zu sehen: konzeptuell, versponnen und baufertig. Exponate von Bernhard Olpp, seinem Sohn Uli Olpp, von Eduard Kappler, Hans Hesselbach die faszinierenden, Transparenten „Schichten eines Zeichentischs“. Klaus und Sebastian Thiemann zeigen im oberen Stockwerk Wege von der ersten Idee bis zu Schlüsselfertigkeit, ebenso gibt es Ideen, die nie verwirklicht wurden, wie Eduard Kapplers Rathauserweiterung und Uli Olpps originelle „Beziehungs-Kisten“, ein Wettbewerbsbeitrag für den „Garten für Verliebte“ in Meran
Ästhetisch enorm ansprechend sind die Zeichnungen und Gemälde von Louis Fiedler. Die Arbeiten des Vorfahren von PPG-Pädagogin Monika Mergler hatten den Anstoß zur Ausstellung gegeben und füllen nun das Erdgeschoss. Ausgewählt von Uli Olpp und Kunsterzieherin Karin Plank-Hauter und entliehen aus dem Stadtarchiv Nürnberg unter Mitwirkung von Maria Horn vom Amt für private Überlieferung zeigen sie bauliche Details ebenso wie ganze Häuser. Monika Mergler erzählte launig und lebhaft aus dem Leben ihres 1878 geborenen Großonkels, der das typische Leben eines jüngeren Sohnes mit weniger Verantwortung und mehr Möglichkeiten zur Verwirklichung eigener Träume führen durfte. Seine Karriere als Architekt, ausgebremst durch den ersten und letztlich beendet durch den zweiten Weltkrieg wird durch Skizzen, Gemälde und Handwerkszeug wie den Aquarell- und Zirkelkasten nachgezeichnet.
Zeit und Zeitlosigkeit in der Architektur
Das Kunstmuseum Hersbruck eröffnet eine Schau mit Architekturzeichnung zwischen Kunst und Anwendbarkeit
Die Kunst der Architekturzeichnung ist eine der ältesten Techniken, mit der die Planer aller Zeiten ihren Kunden und den ausführenden Arbeitern ihre Formideen mitgeteilt haben und noch immer mitteilen.
Die Art der Darstellung hat sich dabei verwandelt. Waren die Architektur-Visualisierungen vor 100 Jahren noch beinahe perfekte Gemälde, entwickelte sich zur Mitte des letzten Jahrhundert ein flotter Architektenstrich bei den Entwurfsskizzen.
Heute nutzen Planer die digitalen Möglichkeiten von CAD Programmen, um fast fotorealistische Ansichten zu generieren. Aber auch die Handzeichnung hat noch immer ihren Platz und besonderen Charme.
Allen Architekturvisualisierungen ist aber eines gemeinsam: Die Vision des geplanten Bauwerks schon im Planungsstadium sichtbar und verständlich zu machen. Seien es Bauherren und Bauherrinnen, die im Entwurf ablesen können, ob hier wirklich ihr „Traumhaus“ verwirklicht wird oder sei es eine Jury, die aus verschiedenen Entwürfen auswählt, welchen sie für den ausgesuchten Ort ästhetisch passend und funktional findet.
Nicht zuletzt müssen die Ausführungszeichnungen den Handwerkern so genau und anschaulich wie möglich beschreiben, wie das jeweilige Detail umgesetzt werden soll.
Diesen zwischen Kunst und Anwendung angesiedelten Architekturzeichnungen widmet das Kunstmuseum Hersbruck seine erste Ausstellung 2022 und nimmt dabei auch Bezug auf den bekannten Umraum. Ein ganzes Geschoss widmet sich Louis Fiedler, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts hervorragende Architektur gemacht hat. Der Architekt aus Fürth, der in Berlin und Nürnberg bedeutende Bauwerke plante, bis seine Karriere unter der Diktatur der Nationalsozialisten jäh endete. Neben seinen perfekten Visualisierungen ganzer Gebäude zeigt das Museum auch wertvolle, mit Aquarellfarben kolorierte Ausführungspläne von Louis Fiedler und Teile seines Handwerkzeuges.
Weitere Exponate zeigen eine Vision zum Hersbrucker Marktplatz von Architekt Eduard Kappler und Wettbewerbszeichnungen aus den 50er Jahren von Bernhard Olpp. Die zeitgenössischen Visualisierungen tragen die Architekten Hans Hesselbach, Uli Olpp und das Architekturbüro Klaus und Sebastian Thiemann bei.
„Architektur sollte immer Ausdruck ihrer Zeit und Umwelt sein, jedoch nach Zeitlosigkeit streben“, dieses Zitat des kanadischen Architekten Frank Gehry können Besucher der Ausstellung ihrer eigenen Prüfung unterziehen.
Im Kunstmuseum Hersbruck in der Amberger Straße 2 direkt am Spitaltor wird die Ausstellung am Donnerstag, den 28. April um 19 Uhr eröffnet. Uli Olpp teilt seine „Gedanken zur Architektur“ und Monika Mergler spricht zu ihrem Vorfahren Louis Fiedler.
Vom 30. April bis zum 17. Juli ist die Ausstellung jeweils Samstag und Sonntag von 15 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet. Um Spenden wird gebeten, die geltenden Coronaregeln sind zu beachten.
Zukunft: Hopp oder Topp?
Im Kunstmuseum Hersbruck findet die Jahresausstellung der Künstlermitglieder mit dem Thema
„Zukunft - Utopie - Dystopie“ statt
Die Mitglieder des Fördervereins Kunstmuseum Hersbruck hatten sich die Eröffnung ihrer Jahresausstellung sicherlich anders vorgestellt, als es unter den gerade verschärftern Beschränkungen durch die vierte Coronawelle möglich war. Zuletzt war man froh, dass sie unter den nötigen Sicherheitsvorschriftenüberhaupt stattfinden konnte. Die Eröffnungsreden mussten Uli Olpp, der Vorsitzende des Kunstmuseums und Barbara Henning, eine der Organisatorinnen der Ausstellung, im Freien, unter dem Torbogen des Spitaltors halten. Davor und danach konnten die Besucher in kleinen Gruppen durch die Ausstellung gehen, nicht ohne am Eingang ihre Impfbescheinigungen vorzuweisen. Das Draußen-Stehen bei Kälte und Dunkelheit bekam aber einen besonderen Reiz durch eine Lichtinstallation, arrangiert von Christian Oberlander, die in kreisrunden Wechselspielen von Formen und Farben vom Fenster der ersten Etage des Museums auf den Platz projiziert wurde und die er „Rückkehr zur Ursuppe“ nannte. Damals, stellt man sich vor, war die Welt noch eins mit sich selber, noch nicht aufgespalten in Licht und Finsternis, Kälte und Wärme, Gut und Böse, und wie die Gegensatzpaare alle heißen. Auch nicht in Utopien und Dystopien.
Das Kunstmuseum zeigt 30 Arbeiten von 27 Künstlern und Künstlerinnen, die sich mit den Begriffen Utopie und Dystopie auseinandergesetzt haben und deren Werke als ästhetisches Programm gesehen werden können, die zu vielerlei Betrachtungsweisen unserer Lage im Weltgeschehen anregen. Gleich beimEingang steht als Augenöffner der originelle Aufbau einer utopischen Stadt auf Rädern von Gerd Meingast. Durch eine Verflechtung von Farben und Formenzeigt er eine mögliche visionäre Welt auf. Eineganz persönliche Realität, die sich zwischen Hoffen und Bangen bewegt, bildet die Skulptur einer ratlosen und zögernden jungen Frau von Andreas Hauter ab. Auf ganz unterschiedliche Weisen versuchen die einzelnen Künstler mit Bild und Abbild und mit visueller Irritation den Betrachter Utopien oder Dystopien vor Augen zu führen. „Nebel verschlingt das Licht“, nennt Kornelia Klonen ihr Acrylbild und man möchte hinzufügen, auch vernebelte Vorstellungen von drohenden, schon sich abzeichnenden, vielleicht auch noch begrenzbaren Katastrophen verhindern einen klaren Blick auf unsere Zukunft. In seiner Eröffnungsrede machte Uli Olpp darauf aufmerksam, dass alles, was man heute Dystopien nennt, also die düsteren, dramatischen Untergangsszenarien schon immer mehr Konjunktur hatten, als das Utopische. Man denke nur an die apokalyptischen Bilder von Hieronymus Bosch oder von Albrecht Dürer. Auch im 19. Jahrhundert war das Bedrohliche und Unheilvolle in der bildenden Kunst das beliebtere Sujet, wovon Bilder von Füssli und Böcklin zeugen. Vor dem Hintergrund der die gesamte Menschheit bedrohenden Klimakrise bekommt in unseren Tagen dieses Themajedoch eine ganz neue Dramatik. In einer Collage von Woldemar Fuhrmann verschwindet jede Utopie in einem schwarzen Loch, und die in digitaler Malerei erstellte „Explodierende Erde“ von Christian Oberlander zeigt, dass die Katastrophe nicht erwartbar, sondern bereits da ist. In der rätselhaft gestalteten Fotoarbeit von Barbara Henning, die man beim ersten Betrachten für ein Gemälde halten könnte, bemächtigen sich visuell verborgene und nur angedeutete Ungeheuer unserer schönen Welt. Rainer Zitta verbindet auf seine unnachahmliche Weise darstellende mit literarischer Kunst, indem er seinem Objekt einen Text hinzufügt:
OHNE DYSTOPIE KEINE UTOPIE UND ANDERSHERUM ODER NIX WIE LEIDEN UND FREUDEN DAS IST DAS LEBEN SELL A WIE WIESELLERIE
In einigen Bildern wird aber durchaus auch die „Schönheit der Schöpfung“beschworen, so von Ina Schilling , oder von Ingrid Pflaums Arbeit „Licht im Dunkel“. Der „Verschlossene Garten“ von Karin Plank-Hauter dagegen weist eine gewisse Ambivalenz zwischen Utopie und Dystopie auf, denn es ist zwar ein Garten vorhanden, aber er ist nicht zugänglich. Noch nicht? Oder nicht mehr? Diese Frage muss sich der Betrachter selber stellen und versuchen, eine Antwort darauf zu finden. „Operative Schönheit“ nennt Anita M. Franz ihre mehrdeutige Arbeit, eine Skulptur aus Keramik und Scherben. Und Uli Olppunterlegt seine Arbeit aus Pflaumenholz, Stahl und einer Zeichnung mit der geheimnisvollen Frage: „WEM IST DAS ENDE DER PARABEL?“.
Es ist eine Ausstellung, die zu vielfältigen Interpretationen undGedankensprüngen einlädt. Sie kann bei freiem Eintritt und unter Beachtung der gültigen Corona-Vorschriften vom 25.11. 2021 bis 30.1.2022 jeweils freitags, samstags und sonntags zwischen 15 und 18 Uhr in kleinen Gruppen besichtigt werden.
TEXT UND FOTOS MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG VON AUTORIN GERDA MÜNZENBERG
„80 Euro zum ersten, zum zweiten - und 80 Euro zum Dritten!“ Mit einem hörbaren Krachen lässt Christoph Gerling den Hammer aufs Holz sausen und ein weiteres Originalkunstwerk hat den Besitzer gewechselt. Zugunsten der Druckkosten des hochwertigen Katalogs, der begleitend zur Freiluftausstellung „Kunst im Fluss“ im August 2021 erscheinen wird und zwei Jahre umspannen soll, kommen in der Scheune des Hirtenmuseums 37 Originale, Drucke, kleine Skulpturen und Fotoarbeiten regionaler Künstler unter den Hammer.
Die „Kunst-Auktion zugunsten einer Kunst-Aktion“ ist in vollem Gange. Auktion möchte die Versteigerung aber nicht genannt werden, denn niemand hier will Sotheby`s und Christie`s Konkurrenz machen. „Dies ist eine Performance, ein Kunstereignis!“, erklärt Kunst im Fluss-Initiator Christoph Gerling. „Du bist die Kunst, ich bin das Ereignis!“, stellt seine Co-Auktionatorin Carola Hoffmann klar, bevor sie, das Outfit ganz auf das kulturelle Highlight zugeschnitten, ein Werk nach dem anderen nach vorne ins Rampenlicht trägt. Die Vorsitzende des Wirtschaftsforums steht für die gute Sache da und bringt Esprit und Wortwitz mit.
Trotzdem: viel zu wenige Kauflustige haben sich an diesem Abend ins Hirtenmuseum gewagt, dabei sind die Hersbrucker eigentlich ein versteigerungsfreudiges Völkchen: legendär, wie Helmut Roy im Posthof liegengebliebene Fundbüro-Reliquien an den Mann und die Frau brachte und auch der „Markt der langen Gesichter“ mit der Versteigerung ungeliebter Weihnachtsgeschenke ist in Hersbruck fest etabliert. Doch dies ist nun tatsächlich die erste Kunst-Versteigerung in Hersbruck, wie Hirtenmuseums-Leiterin Ingrid Pflaum in ihrer Begrüßung ankündigt. Scheu vor zu hohen Preisen hätte die Kaufwilligen nicht abschrecken sollen: fachkundig und kundenfreundlich setzt Christoph Gerling einen Anfangspreis fest , der sich zwischen meist 30 und maximal 150 Euro bewegt und dann wird der Preis eifrig hochgetrieben. Die Stimmung ist entspannt und heiter, die Werke der regionalen Künstler vielseitig und spannend. Arbeiten kommen von Kunstschaffenden, deren Namen im Hersbrucker Umfeld lang bekannt sind: Nora Matocza, Walter Plank, die Mitglieder der Original Hersbrucker Bücherwerkstätte, Barbara Henning, Inge Bärbel Drexel und Gerhard Meingast. Ebenso gratis eine oder mehrere Arbeit zur Verfügung gestellt haben Reiner Zitta aus Pühlheim und Walter Bauer, Gerhard Steinle und Thomas May aus Nürnberg.
Die Anwesenden sind gar nicht so enttäuscht, dass die Konkurrenz der Kaufwilligen nicht übermächtig ist, denn so ergibt sich die Chance auf Schnäppchen auch überregional agierender Künstler weit unter ihrem sonstigen Marktpreis: eine Kunstharz-Scheibe von Harald Pompl aus Altdorf ist auf einmal ebenso erschwinglich wie die „Goldene Maske“ von Hubertus Hess, eine hübsch gefältelte, signierte und nummerierte „Corona-Maske“ aus Stahl und Messing. Reiner Zittas Votivfiguren mit den Titeln „er hilft, der Oberpfälzer großäugige Spindelkopf“ und „Ötzis Dank“ gelten als begehrte Sammlerstücke und sind hier mehr als preis-wert. Sehr schöne StudentInnenarbeiten aus den Zeiten von Gerlings Tätigkeit als Lehrer an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg finden Liebhaber. Als drei Siebdrucke mit floralen Motiven von Gerling selbst angeboten werden, heizt sich die Geschwindigkeit der Gebote merklich auf. Eine Käuferin möchte drei der Blumenbilder als Serie haben und das gelingt ihr auch, indem sie die Konkurrenz hartnäckig überbietet. Ein verhaltenes „Juchhu“ erklingt aus den hinteren Reihen, als jemand ein besonders heiß ersehnter Kauf gelingt.
Christoph Gerling hat zu jedem Objekt eine Anekdote, kennt die Kunstschaffenden, kann einiges zu Techniken und Inhalten erzählen und macht so die Arbeiten schmackhaft. Da lassen sich auch die TeilnehmerInnen von Kunst im Fluss nicht lumpen und ersteigern eifrig Kolleginnenarbeiten. Eine edle, rechteckige Schale aus Jurakalk von Uli Olpp wechselt auf diese Weise den Besitzer, schwarz-weiße Drucke chaotisch ineinander gestapelter Stühle von Woldemar Fuhrmann finden ein neues Heim und Carola Hoffmann ersteigert sich, so gut das mit einer freien Hand eben geht, die Figur „Junge Aktivistin“ von Andreas Hauter, die sie mit der anderen Hand darbietet.
„Das gibt´s nur einmal, das kommt nie wieder!“, scherzt Christoph Gerling, als er ein Werk „loswerden“ will. Tatsache ist: es kommt doch wieder, wenn diese Versteigerung im kommenden Jahr in die zweite Runde geht: dann hoffentlich mit mehr Zuspruch aus den Reihen der eigentlich so kunstfreudigen Hersbrucker, mit neuen Werken und mit ein paar besonders schönen, die diesmal noch keine neuen Besitzer gefunden hat.
Über 2000 Euro für den Druck des Katalogs kamen zusammen, als schlußendlich in bewährter Manier das Bargeld gehäufelt wurde. Glückliche neue Kunstbesitzer stießen derweil im Hof des „Espan“ auf ihre Käufe an.
„Wir befinden uns im Jahre 2020 n.Chr. Die ganze Welt ist von COVID-19 besetzt… die ganze Welt? Ja! Aber das von unbeugsamen Kulturschaffenden bevölkerte Städtchen Hersbruck hört nicht auf, dem Virus Widerstand zu leisten.“ (Entlehntes Zitat aus Asterix)
Überall werden wir von der Sorge um die Machbarkeit von Veranstaltungen und ganz besonders um die Existenz der Künstler angetrieben. Monatelang keine Ausstellungen, kein Tanz, keine Konzerte, keine Lesungen, kein gar nichts. Ein schmerzlicher Verzicht, der uns vor Augen hält, wie wichtig Kultur für unsere Gesellschaft ist.
Abstände und Masken, eingeschränktes Miteinander, das Händeschütteln, eine Umarmung, alles das, was uns bei Ausstellungseröffnungen vor der Pandemie begleitete und zum Umgang gehört fehlt. Das gemeinsame Wahrnehmen und das Auseinandersetzen über die Inhalte der Objekte – live – nicht virtuell, sondern wie im richtigen Leben. Das ist wesentlich, denn, Sie haben es gewiss schon öfter gehört: Kultur ist der Kitt der Gesellschaft.
Was also tun, bei starker Besucherbeschränkung, bei 1, 50 m Abstand und den ganzen – sinnvollen – Restriktionen?
Was also tun in einem Minimuseum, wie es das Kunstmuseum Hersbruck ist?
Da gibt es nur eines: Man verlegt nach draußen. Gut, dass es Sommer ist! Das Kunstmuseum Hersbruck hatte eine zündende Idee, in dem es im großen Stil – wie für Hersbruck möglich und im Übrigen auch nötig – Künstlerinnen und Künstler aus ihrem Umkreis dazu aufforderte, Beiträge zu leisten für diesen gelungenen Kunstspaziergang ab heute bis zum 31. August im öffentlichen Raum, frei zugänglich, ohne Eintritt für jedermann.
Im Folder finden Sie die Namen bekannterer und unbekannterer Künstlerinnen und Künstler. Einige müssen von ihrer Kunst leben, einige sind neben einem Brotberuf künstlerisch tätig.
Manche der italienischen Künstler, die sich schon bei Kunst im Fluss und weiteren Aktionen präsentieren konnten, sind auch heute dabei.
Beim Gang durch die Straßen Hersbrucks werfen Sie nun der Kunst wegen einen anderen Blick auf die Stadt. Und Sie werden staunen, was den Künstlern alles eingefallen ist. Insgesamt 44 Objekte, Bilder, gemalt oder als Graffiti gesprayt, Fotoarbeiten, Installationen, Skulpturen aus den verschiedensten Materialien in den verschiedensten künstlerischen Handschriften, figurativ, gegenständlich, verständlich und vielleicht auch ein wenig rätselhaft. Amüsantes, Ironisches, Ernsthaftes. Klopapier und Masken dürfen in diesen Zeiten nicht fehlen und sogar Hörbares ist dabei. Von West nach Ost, vom Hirtenmuseum bis hinter die Turnhalleninsel, von Nord nach Süd, vom Kreisverkehr in der Amberger Str. bis hinters Wassertor: Man stolpert mit den Augen überall über Kunst, auf der Straße, in Schaufenstern, an Hauswänden, in die Luft gehängt und im kühlen Wasser der Pegnitz. Man kann durch Hersbruck kreiseln ohne Richtungsvorgabe, frei Schnauze, jeder nach Lust und Laune, zwischen den Werken ein Gasthaus aufsuchen oder beim Gehen ein Eis essen. Das macht sommerliche Laune.
Obschon manche Künstler Auswüchse dieser denkwürdigen Zeit in ihren Werken thematisieren, was nur recht und billig ist, schafft es Corona eben nicht, die Kultur komplett lahm zu legen. Im Gegenteil: Es scheint, als fördere das Virus die Kreativität, indem es uns fordert nachzudenken über unsere langjährigen Gewohnheiten und über unsere scheinbar selbstverständliche Freiheit, in der wir vieles tun konnten, was wann wo auch immer wir wollten. Meistens zumindest.
Man kann dankbar sein für das Engagement des ehrenamtlichen Teams des Kunstmuseums Hersbruck, das man im Übrigen wie das Hirtenmuseum als Auszeichnung für die Struktur der zwölfeinhalbtausend Einwohner zählenden Stadt verstehen kann und muss. Uli Olpp und allen Beteiligten danke ich an dieser Stelle für ihren Einsatz und der Stadtverwaltung für ihr konstruktives Zutun.
Da ich selbst in einer kommunalen Verwaltung tätig bin, weiß ich, was hinter der Realisierung eines solchen Vorhabens steckt…
Auch der letzte Zweifler wird womöglich bekehrt werden und zumindest bemerken, dass vieles möglich ist: In Hersbruck bekommt die Kunst nun Füße, viele 1000 Füße und diese Füße gehören uns.
Es ist an uns die Stadt mit ihrer Kunst zu erkunden.
Ich wünsche Ihnen bei diesem Kunstspaziergang schöne Eindrücke, angenehme Gespräche mit 1,50 Abstand und trotzdem Nähe zum Objekt und vielleicht die ein oder andere Neuentdeckung, sei es im Stadtbild oder in der Kunst.
Kleiner gedanklicher Rundgang zum KUNSTSPAZIERGANG 2020
Um die Werke des Kunstspaziergangs 2020 in Hersbruck zu sehen, braucht man, anders als bei vielen anderen Ausstellungen und Schauen, nicht einen Schritt ins Museum setzen, sondern muss sich lediglich ins Freie begeben und schon stolpert man mitunter zufällig über eines der vielen Kunstwerke, welche die Straßen, Plätze und die Parkanlagen um die historische Stadtmauer säumen. Diese Form der Kunst, die auf den musealen Kontext verzichtet und die Besucher vielmehr dort abholt, wo sich ihr Leben abspielt erscheint in den Tagen in denen Abstandsgebot und Ansteckungsgefahr das öffentliche Leben bestimmen eine entspannte Möglichkeit sich auf einem Spaziergang durch Kunst auf andere Gedanken bringen zu lassen.
Dabei setzt sich „PublicArt“ wie es in Amerika genannt wird mit ganz anderen Bedingungen auseinander als Kunst, die in einem „White Cube“ gezeigt wird, wie ihn das Museum darstellt.
Der städtische Raum, die urbane Landschaft ist geprägt von allerlei alltäglichen Funktionen, Geschichtlichem und vielen Geschichten.
Extra für den KUNSTSPAZIERGANG haben die über 40 TeilnehmerInnen ihre Beiträge für, vorher von jedem genau ausgesuchte Plätze konzipiert und sind mit den besonderen Eigenschaften des jeweiligen Ortes in einen Dialog getreten. So wäre die Idee zur Installation „Badeträume“ im Spitalbrunnen der Gruppe „Kollektiv.Punkt.“ ohne die Entdeckung dieses besonderen Platzes nicht denkbar gewesen.
Die „Waschpegnitz“ am Wassertor hat Hartmut Brandis zu seiner Installation „Bis auf weiteres gesperrt“ angeregt.
Aus den Wasserläufen des Mühlwasser an der Turnhalleninsel steigen die „Fiori“ des Altdorfer Bildhauers Harald Pompl transluzent farbig in den Himmel. Ihr Spiegelbild bricht sich im lebendigen Fluss.
Erhaben wehen zwei aufwendig typografisch gestaltete „Sprach- fahnen“ im engen Mauerweg vom Wehrgang der alten Stadtmauer
und transportieren philosophische Gedanken zum „Denken“ und „Worten“ an sich. Gemeinsam haben sich Daniela Baumann und
Woldemar Fuhrmann diesen Platz ausgesucht und dabei einen Text von dem überregional bekannten, zeitgenössischen Dichter Gerhard Falkner verwendet.
Eine Miniaturszenerie „Little Street Art Project“ aus Eisenbahnfiguren hat Janine Gührs in einen Bogen der Stadtmauer im Mauerweg in Griffhöhe montiert. Nachdem bereits am ersten Tag der Ausstellung ein Ungeist in zerstörerischer Absicht eine zentrale Figur herausgebrochen hatte, ersetzt die Künstlerin die fehlende Figur mit einer Gruppe Miniatur-Polizisten auf „Spurensuche“ und schreibt dazu den Hinweis: „Hauptdarsteller entwendet! Die Polizei ermittelt.“
Die spontane kreative Reaktion auf das destruktive Wirken eines Einzelnen wird so Teil des Kunstwerkes!
Selbst die drei Stützpfähle eines jüngst gepflanzten Straßenbaums werden in der Pragerstraße zu „Sockeln“ auf Augenhöhe für die figürlichen Arbeiten der Keramikerin Gina Bauer. „In Bewegung bleiben“ nennt sie diese Szenerie.
Die meisten der Arbeiten haben einen narrativen Ansatz und versuchen auf das Erleben und den sozialen Kontext genau dieser Zeit zu reagieren.
Andere bringen die Betrachter mit augenzwinkerndem Humor ins Schmunzeln und Nachdenken.
Michl Gölling schafft das in gewohnt lakonischer Weise mit seinem „Fliegenden Hackstock“, der von der Metalltreppe zum Graben am Spitaltor herabhängt oder Barbara Henning befasst sich humorvoll mit dem Wappentier der Stadt in ihren großformatigen Fotoüberblendungen „Der Hirsch geht am Stock“ am Gänsturm und etwas düsterer in der Durchfahrt des Spitaltores mit zwei Darstellungen ihrer „Wächter am Tor“.
Reiner Zitta hat eine raumgreifende Installation „Wegweiser in die Gegenrichtung“ in den malerischen Innenhof der Firma Languth aus Recycling Materialien gezimmert, die alle möglichen Ebenen der Inspiration für den interessierten Betrachter bereithält.
Das man klassische Malerei anregend im Stadtbild präsentieren kann beweisen die vier Landschaftsbilder „Land und Meer“ von Christoph Gerling die man von der Spitalbrücke aus entdecken kann und das beidseitig mit dem „Fondata sul lavoro“ bemalten Banner das im Graben von einem Baum hängt, von Paolo Volta, einem bereits aus vorherigen Ausstellungen bekannten Künstlerfreund Hersbrucks aus Ferrara.
Ein abstrakt objekthaftes Werk, stellt der Bildhauer Uli Olpp in die Lücke, die der Abriss eines Hauses am Eingang des Mauerparks hinterlassen hat. Wie eine mehrfach im rechten Winkel geknickte Linie nimmt seine Plastik aus farbig gefasstem Rundstahl den Raum ein und tritt formal kontrastierend in den Dialog mit der massiven Präsenz der alten Stadtmauer, dem beginnenden Park und der städtebaulich ungelösten räumlichen Situation hin zur Grabenstraße. „Entreé“ nennt er seine, der „Minimal Art“ nahe stehende Skulptur.
Eine weitere abstrakte Arbeit stellt das „Farbfeld N° 26“ dar, mit der die Malerin Ingrid M. Pflaum einen Baum am Eingang der Amberger Straße am Kreisel bestückt hat. Die in Rottönen changierende horizontal gehängte Farbpalette kontrastiert poetisch mit den Farben der umgebenden Häuser und dem Grün des Baumes.
Soweit ein paar herausgegriffene Aspekte eines noch viel breiter angelegten Kunstpacours`. Die Ausstellung ist bewusst unkuratiert und unjuriert konzipiert worden. Den Künstlern sollte weitestgehende Selbständigkeit in der Anlage ihrer Arbeiten zugestanden werden. Beachtenswert ist die Dichte von gut gemachten Beiträgen bei dieser Ausstellung, auf welche die Veranstalter absichtlich keinen Einfluss genommen haben.
Der KUNSTSPAZIERGANG 2020 in Hersbruck will den Künstlern in dieser weitgehend ausstellungsarmen Zeit ein Forum und einen professionellen Rahmen für die Präsentation eigenständiger Kunstwerke bieten.
Von der Heilkraft der Kunst
Walter Raum als bedeutendster Maler Hersbrucks gewürdigt – Ausstellung im Kunstmuseum Hersbruck eröffnet
„Hersbruck kann auf seinen großen Sohn stolz sein!“ - Professor Werner Knaupp, Freund der Familie und profunder Kenner der Kunst Walter Raums machte klar, welche Ehre es sei, dass „ein außergewöhnlicher, großartiger, international erfolgreicher Künstler mit seinen Werken zu seinen Wurzeln, seinem Geburtsort Hersbruck zurückkehrt.“ Eine thematisch zusammengehörende Werkgruppe, die „Wund-Bilder“ sind bis 14. Februar im Kunstmuseum Hersbruck zu sehen.
Sich den Eindrücken dieser Bilder zu entziehen, ist unmöglich. Dicht an dicht gehängt in den zwei kleinen Ausstellungsräumen des Kunstmuseums am Spitaltor, sind die großformatigen Arbeiten auf Papier von drei Farben bestimmt: Schwarz, Weiß und ein leuchtendes Rot, das für den Lebenssaft, das Blut, steht und in den als archaische Torsi angelegten Körpern kraftvoll pulsiert oder unbarmherzig durch grob genähte Wunden versickert. Mit Strichen, die mit lang zurückgehaltener Energie aufgeladen sind, fetzte Walter Raum die Pinsel- und Kreidestriche aufs Papier, verdichtete sie zu schweren Körpergebilden oder ließ sie flirrend im Hintergrund vibrieren. Dem Betrachter im Kunstmuseum vermittelt die kraftvolle Malerei die Wucht der Erlebnisse, die hinter dieser Kunst steckt.
„Als 18-Jährigem, wo andere spätestens die Liebe entdecken, wurde Walter Raum (1923 bis 2009) eine sichtbar zu große Uniform übergestülpt und er musste von heute auf morgen lernen, im Ernstfall als Erster zu schießen.“ Werner Knaupp, ehemaliger Professor an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, zeichnet ein deutliches Bild der Schrecken des zweiten Weltkrieges, die den jungen Walter Raum ein Leben lang nicht losließen. Deswegen, so Knaupp, seien die „Wund-Bilder auch „ keine blutrünstigen, sensationsheischenden Illustrationen, nein, da gingen erlittene, unvorstellbare, unmenschliche Grausamkeiten voraus!“
Werner Knaupp weiß, wovon er spricht. Einerseits hat sich ihm der enge Freund und Kollege Walter Raum in ihren Begegnungen als einem der wenigen Menschen in seinem Leben anvertraut, andererseits setzt sich auch Knaupp in seinem Werk mit den Grenzsituationen menschlicher Existenz auseinander. Der Beginn ihrer Freundschaft fällt in die Zeit der 1980er Jahre, als , „einem gewaltigen Vulkanausbruch gleichend“, die Serie der Wund-Bilder aus Raum herausbrach und sich innerhalb eines Jahres in 100 Arbeiten entlud. Damals verspürte Walter Raum die heilende Wirkung der Kunst, versicherte sich im Malprozess seiner eigenen Existenz und verspürte sogar Glück in seinem Arbeiten.
Das alles ist keine leichte Kost. Die Last der Erinnerungen, denen Walter Raum nicht mehr ausweichen konnte und wollte und die er in die ausgestellten Bilder packte, ist kein leicht zu konsumierendes Feierabendhäppchen. Das haben laut Werner Knaupp zu Lebzeiten Raums ihm auch etliche Kunstinteressierte gesagt.
Doch wer sehen möchte, wie sich in schonungsloser Ehrlichkeit ein Maler den Traumata seines Lebens stellt, welche zeitlose Energie in den Arbeiten gespeichert ist und wie kreatives Schaffen als Katalysator wirken kann, der sollte sich diese Ausstellung ansehen. „Wenn ich male, bin ich!“, hat Walter Raum gesagt. Das ist in dieser Werkschau spürbar. In einer Vitrine ergänzen schriftliche, zeichnerische und fotografische Zeugnisse aus Walter Raums frühen Jahren das Bild.
Walter Raums Witwe Christine und sein Sohn Tobias waren aus dem Münchener Raum angereist und die stellvertretende Landrätin Gabriele Drechsler ließ es sich nicht nehmen, bei der Eröffnung dabei zu sein. Ebenso HZ-Verlegerin Ursula Pfeiffer, die 2019 auf die vorausgegangene Ausstellung Raums in München aufmerksam gemacht hatte und Künstlerseelsorger Hans-Peter Weigel aus Bamberg. Museumsleiter Uli Olpp konnte außerdem zahlreiche kunstinteressierte Gäste – coronabedingt mit Maske und im Freien – begrüßen.
Rede von Werner Knaupp, 1. Oktober 2020
Keine Sorge, ich werde Sie nicht lange aufhalten. Aber ich habe das Bedürfnis - und glauben Sie mir, es ist für mich nicht einfach heute. Liebe Christine, lieber Tobias, meine sehr geehrten Damen und Herren: ein außergewöhnlicher, großartiger, international erfolgreicher Künstler kehrt mit seinen Werken zu seinen Wurzeln, seinem Geburtsort Hersbruck zurück. Walter Raum ist wohl der bedeutendste Maler, den die Stadt je hervorgebracht hat. Hersbruck kann auf seinen großen Sohn stolz sein. Das muss gefeiert werden!
Nun zur Ausstellung:
Zunächst dachte ich: „Wie will denn die Stadt platzmäßig diesem facettenreichen Werk von Walter Raum eigentlich gerecht werden? Doch sein Sohn Tobias Raum, als Kurator tätig, hatte die hervorragende Idee, sich nur auf eine Werkgruppe zu konzentrieren: die Wund-Bilder. Das sind keine blutrünstigen, sensationsheischenden Illustrationen, Nein, da gingen erlittene, unvorstellbare, unmenschliche Grausamkeiten voraus. Stellen Sie sich doch einmal vor: 1941, mit 18 Jahren, wo andere spätestens die Liebe entdecken, wurde ihm eine sichtbar zu große Uniform übergestülpt und er musste von heute auf morgen lernen, im Ernstfall als Erster zu schießen – sonst bist Du tot. Das hatte der junge Walter sich damals bestimmt nicht erträumt. Schwer verwundet kehrte er nach dem Kriege in das fast völlig zerstörte Land zurück und musste noch damit fertig werden, dass sein Bruder kurz vor Kriegsende ermordet wurde. Das war unerträglich.
Viele gleichaltrige Kriegsheimkehrer verdrängten all die schrecklichen Erlebnisse, oft ein Leben lang.
Walter Raum aber stellte sich und begann zu malen. Er spürte instinktiv, und ich weiß, wovon ich rede, die Heilkraft der Kunst. Seine ganze Verzweiflung, sein ständiges Suchen nach dem Sinn des Lebens - „Wozu das alles?“ - und immer die gespürte Ohnmacht und den Abgrund vor Augen. Das war sein Thema 40 Jahre lang und wurde in seinen Bildern auch vielfältig sichtbar. Bis eines Tages, es war 1981, der innere Druck so groß wurde - und gleich einem gewaltigen Vulkanausbruch sind die Wund-Bilder in einem Jahr entstanden.
Diese Bilder hängen jetzt hier hinter mir in diesem kleinen Anbau, hervorragend gehängt von Thomas Raum zusammen mit Uli Olpp. Sie werden selbst sehen, in den zwei kleinen, engen Räumen entwickeln diese Blutbilder solch eine Wucht, dass sich niemand entziehen kann.
Mag ja sein, dass das für den einen oder anderen schwer zu ertragen ist, aber so ist das Leben.
Als Walter und ich uns Anfang der 80-er Jahre das erste Mal begegneten, erlebte ich einen freundlichen, interessierten und hilfsbereiten Kollegen. Ich war überrascht. Hat doch sonst in unserer Branche der pure Neid allzu oft regiert. Die Chemie zwischen uns stimmte sofort und wir wurden bald enge Freunde. Einerseits geprägt von geistiger Nähe, andererseits spürten wir natürlich auch die Notwendigkeit einer äußeren Distance. Denn jeder von uns musste in seiner eigenen Kunst seinen eigenen Weg finden. Walter Raum sagte mir damals, er könne und wolle der ganzen Last seiner Erinnerungen nicht ausweichen. Und nur beim Malen könne er all diese Scheußlichkeiten verarbeiten, und Kunst mache ihn auch glücklich. Er sagte mir: „ Wenn ich male, dann bin ich!“, und er sagte auch, er male eigentlich gegen den Tod. Ich entgegnete ihm: „Ich male mit dem Tod!“. Es sei sinnlos, nach dem Sinn des Lebens zu fragen, denn es gibt keine Antwort. Für mich galt und gilt, dass in der Natur nichts verloren geht, alles ist Energieumwandlung und damit ist für mich auch der Moment des Sterbens der spannendste Augenblick des Lebens, des ganzen Lebens!
Diese Aussagen waren oft der Zündstoff für stundenlange Diskussionen. Entweder in seinem oder in meinem Atelier oder auch beim Wandern. Ich erinnere mich noch sehr sehr gut: wir waren unterwegs um den halben Walchensee und gut zwei Stunden hatte er ununterbrochen geredet ohne Punkt und Komma. Und 95 Prozent davon war der Krieg. Ich erinnere mich auch, wie er sagte, unzählige Male musste er das hören von Sammlern und Leuten, die seine Bilder betrachteten: „ Die Welt ist grausam, ich muss den ganzen Tag arbeiten und wenn ich abends nach Hause komme, dann möchte ich meine Ruhe haben! Und da passen Ihre Werke nicht mehr.“
Aber was machen diese Leute, die das sagen? Die setzen sich am Abend auf das Sofa vor den Fernseher, hören die Nachrichten, die Grausamkeiten der ganzen Welt und wenn möglich, packen sie noch hinterher einen Krimi drauf.
Und da ist dann der entscheidende Punkt von der Kunst des Walter Raum. Jeder spürt instinktiv die Authentizität, die Ehrlichkeit, das Erlebnis. Und ich weiß nicht, ob all diese Leute dann nicht merken, dass die politischen Nachrichten ja immer manipuliert sind und ganz gleich, was sie sehen, immer aus zweiter Hand ist. Es hieß dann, Walter Raum wurde im Alter ruhiger. Das stimmt aber nicht! Er wurde sogar noch radikaler und zog sich ganz in sein Atelier zurück. Er suchte die totale Einsamkeit, die völlige Konzentration auf sein Werk. Er spürte natürlich auch, wie die Physis allmählich wegbrach. Trotzdem entstanden die großartigen Materialbilder, das waren riesige Formate, die er ganz auf sich bezogen bis zu seinem Lebensende malte. Walter Raum war im Grunde eine stille, ernste und große Persönlichkeit. Er war hart zu sich selbst und unbeugsam bis zu seinem Tod. Ja, ich bin stolz, heute hier zu stehen, um an ihn zu erinnern. Zum Schluß möchte ich Ihnen das von seinem Sohn herausgebrachte Buch „Wolfgang Borchert, Draußen vor der Tür und Walter Raum, Wund-Bilder“ empfehlen, das in Wort und Bild die besondere Beziehung Walter Raums zu Wolfgang Borchert sichtbar macht. Dieses Buch zeigt ein höchst spanendes Aufeinandertreffen von Bild und Wort. E liegt in der Ausstellung zum Verkauf aus.
Ich danke Ihnen.
Gerne hätten Wilfried Appelt und das Museumsteam diese wunderbare Ausstellung noch vielen Menschen zugänglich gemacht. Die Corona-Krise hat uns auch da einen Strich durch die Rechnung gemacht. In Fotos können wir einige Momente der Schau einer außergewöhnlichen Privatsammlung noch einmal sichtbar machen. Die Bilder von der Vernissage sind von Gerd Dollhopf, der Rest von Wilfried Appelt.
Sturm im Fluss holt sich die Kunst
Gewitter am Sonntagabend forderte Tribut unter den Kunstwerken
HERSBRUCK (us) - Der Pavillon des Kunstmuseums Hersbruck auf der Turnhalleninsel in Fetzen, ein Werk unter abgebrochenen Ästen begraben, eines in Fetzen, eines angedriftet, eines ganz verschwunden – „Land-Art“-Künstler rechnen bei ihren Freiluftwerken zwar mit Veränderungen durch Witterung und Wasser, aber meist nicht so drastisch.
Jeannine Piredda aus Sardinien mag mit so etwas gerechnet haben, waren ihre neun kleinen quadratischen Leinwände doch mit den weichen und relativ empfindlichen Bindfäden miteinander verknüpft und im Boden verankert, die aus der Schafwolle ihrer heimatlichen Fauna gezwirbelt werden. Ihr Kunstwerk ist nach dem Heftigen Gewitter am Sonntagabend denn auch ganz verschwunden und hat sich auf die Reise pegnitzabwärts gemacht. Nora Matocza aus Weigendorf hat sicher nicht einkalkuliert, dass große Äste aus der Weide am Ufer auf ihre zarte Skulptur stürzen würden. Riccardo Mazzerinis aus mehreren leichten bedruckten Platten „gestricktes“ Werk wurde vom Wind angehoben und verzwirbelt. Der Pavillon des Kunstmuseums, wo man sich Infos holen konnte und den Katalog kaufen, hat nur noch Schrottwert. Schon einmal hatte das Kunstmuseum mit einer Freiluftausstellung Pech: Im Januar 2017 musste „Kunst in der Luft“ über der Prager Straße vorzeitig abgehängt werden, weil Windböen die einen Quadratmeter großen Werke gefährlich ins Schwanken kommen ließ.
Alle Fotos von Angelika Eisenbrand.
Entenglück und Karpfenträume
„Kunst im Fluss 2“ lässt die Pegnitz leuchten- 22 Künstler aus Deutschland und Italien - Von Kraulender bis zum „Schäuferlrad“
Hersbruck ist noch schöner als sonst schon – diesen Eindruck hat man, wenn Kunstwerke im Wasser mit den schönen Fachwerkfassaden, den begrünten Ufern und den Brücken über die Pegnitz in eine spannende Korrespondenz treten. „Kunst im Fluss“ ist zurück und bei der Eröffnung würdigten die Sprecher vor allem die Gemeinschaftsanstrengung der Künstler, der zahlreichen ehrenamtlichen Helfer, aber auch der Sponsoren, des Bauhofs und der Wasserwacht – und des Flusses selbst!
„Ich bin so schön hier, ich hab so viele Arme, sieh mal, was für tolle Ufer, welch lauschige Brücken! Warum machst Du nicht etwas mit mir, statt immer nur Kunst in stickige Räume zu stecken?“ - so hat die Pegnitz selbst zu Christoph Gerling gesprochen, berichtet der Inititator von „Kunst im Fluss“, als er nach der Entstehung seiner Idee für das Kunstereignis im Freien befragt wird. Und: damit die Gäste die wegen des Gitarrenfestivals zum „Hören“ nach Hersbruck reisen, auch etwas zu „Sehen“ bekommen, läuft „Kunst im Fluss“ terminlich parallel zum Musikevent. Aber auch viele, viele Hersbrucker zeigen Interesse an der Neuauflage, füllen neben den Sponsoren und Stadträten die Turnhalleninsel und ziehen anschließend mit dem Flyer bewaffnet los, um die Wasseroberfläche abzusuchen.
22 Kunstschaffende aus Deutschland und Italien, mehr als vergangenes Jahr, haben sich allerhand einfallen lassen, um die Kunst-Spaziergänger anzusprechen – und die Enten, die neugierig die Objekte in ihrem Revier beäugen. Dabei entstand manches ansprechende Fotomotiv. Franz Weidingers über dem Wasser schwebende Schwimmende aus Holz mit dem Wassertor im Hintergrund reizt die Smartphone-Fotografen. Um ein Werk besonders schön vor die Linse zu bekommen, krempelt sich auch mal jemand die Hosenbeine hoch und watet in die Pegnitz. Viel tiefer hinein gingen beim Aufbau die Freiwilligen der Wasserwacht, um schwimmende Kunstwerke sicher im schlammigen Flussgrund zu verankern. Der Bauhof half, schwere Objekte ins Wasser zu hieven. Diese Gemeinschaftsanstrengung würdigte Bürgermeister Robert Ilg in seiner Ansprache, hörbar stolz auf das Hersbruck als Mittelpunkt der Kunstszene der Region, der auch internationale Gäste anzieht. Die italienischen Künstler, mit denen Christoph Gerling eifrig Kontakte knüpft, waren zahlreich anwesend, weswegen Teile der Ansprachen immer wieder ins Italienische wechselten. Cornelia Trinkl, stellvertretende Landrätin, griff den Schriftzug auf Gerlings T-Shirt auf, um zu betonen, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt – die Kunst sei wichtig.
Der Leiter des Kunstmuseums Hersbruck, Uli Olpp, stellte den Katalog vor, der an „Kunst im Fluss 2018“ erinnert. Ebenso wie alle Vorbereitungen wurde das qualitativ hochwertige und schön anzusehende Druckwerk weitgehend in ehrenamtlicher Arbeit erstellt und unterstützt die Arbeit des Kunstmuseums Hersbrucks. Der Katalog bildet selbstverständlich die Situation des Vorjahres ab – buchstäblich eine Stunde vor der Eröffnung wurden die letzten Arbeiten erst in den Fluss gesenkt, wie Uli Olpp berichtete. Über „Kunst im Fluss 2019“ wird ein Katalog für 2020 aufgelegt.
Eine gelöste und dankbare Stimmung lag an der Eröffnung in der Luft: Dankbarkeit für die vielen helfenden Hände und Geldbeutel, für das Interesse der Bevölkerung und das Wetter, das der Veranstaltung einmal mehr einen südlichen Anstrich verlieh – auch die italienischen Gäste strichen sich prustend den Schweiß von der Stirn.
Bis zum 19. August ist täglich von 17 bis 19 Uhr der Pavillon von „Kunst im Fluss“ auf der Turnhalleninsel geöffnet. Besucher können sich Flyer und Weganweisungen holen, den schön gestalteten Katalog für 15 Euro kaufen und sich Fragen beantworten lassen. Es können spontan Führungen entstehen.
Das Gegenteil von Langeweile
Hersbrucker Künstlerstammtisch zeigt Arbeiten aus einem reichen 11-Personen-Schatz im Kunstmuseum Hersbruck
Mit einer quietschenden Tür im Gasthaus Roter Ochse fing alles an. Von den lose zusammengewürfelten Hersbrucker Künstlern flink mit einem Kännchen Öl behoben, fand der Künstlerstammtisch am Oberen Markt vor 20 Jahren eine Stammkneipe für die seither ungebrochen stattfindenden Mittwochstreffen. Nun kann man die elf Künstler „at work“ (bei der Arbeit) sehen: unter dem Titel „stammtisch@work“ zeigen sie im Kunstmuseum Hersbruck eine Vielfalt von Arbeiten.
Wie bringt man 11 Künstlerpersönlichkeiten mit den unterschiedlichsten Techniken und Ausdrucksformen unter einen Hut, wie gerade im Kunstmuseum Hersbruck zu bewundern? Es ist machbar, wenn die Künstlercrew so aufeinander eingespielt ist wie der seit 20 Jahren existierende Künstlerstammtisch – und wenn der Hut der von Gerlinde Berger ist. Die Silberschmiedin und bekannte Hut-Trägerin hat die vielen Talente schon immer um einen Tisch gebracht und nun ihre Werke in einer ansprechenden und - selbstredend- vielseitigen Schau im Museum gebündelt. Die Künstler, die mit ihren Werken als Urgestein der Hersbrucker Kunstszene gelten können, stellen erstmals im musealen Umfeld gemeinsam aus – auch wenn die Schauen am Kunstmarkt im Stadthaus auch schon in diese Richtung gehen.
Museumsleiter Uli Olpp würdigte in einer launigen Rede jeden einzelnen „Stammtischbruder und jede Stammtischschwester“ in ihrer künstlerischen Einzigartigkeit: Gina Bauer, deren Liebe zu Afrika in ihrer Keramik und Malerei zutage tritt, Gerlinde Berger, deren vollendete Silberschmiede-Arbeiten im Obergeschoss funkeln, Manfred Elbert, dessen digital erstellte Traumwelten mit der Zeit gehen, Walburga Herrmann, die trotz kleinen Formats ausdrucksstark in Stein meißelt, Kornelia Klonen, deren farbstarke Arbeiten das müde Auge wachrütteln, Nora Matocza mit ihrer feinsinnigen Malerei, Agathe Meier, die sich durch handgewebte Stoffe und meterlange Holzschnitte arbeitet, Dieter Serfas, dessen Skulpturen aus „Abfall“ das Gewissen des Konsumbürgers anpieksen, Bernd Wagner, dessen Skulpturen es bis in italienische Museen geschafft haben, Fridolin Weis, der in dieser Ausstellung mit ätherischen und fast pointillistischen Fotografien punktet und Ruth Wittmann, deren Kleinkeramiken und Zeichnungen von ihrer meisterhaften Linienführung profitieren. Die eigenwillig improvisierende Musik von Saxophonist Achim Göttert und Dieter Serfas an der Djembe spiegelte die Vielfalt fürs Auge kongenial in Tönen wieder.
In wie vielfältiger Weise die nun Ausstellenden in den letzten zwei Dekaden das Kunstleben Hersbrucks geprägt und bereichert haben, lässt sich kaum aufzählen und bemessen. Der seit 2001 stattfindende Kunstmarkt im Stadthaus ist in der Vor-Weihnachtszeit eine feste Adresse für die Liebhaber kunstvoller Geschenke. Mit den dort geladenen Gastkünstlern erweiterte sich diese Institution auf einen Überblick über regionales Kunstschaffen. An die höchst individuell gestalteten Lampenschirme im Roten Ochsen erinnern sich viele noch. Die Künstlerfeste im Hof der Traditionswirtschaft führten in die beschauliche Kleinstadt auch Performances und Installationen ein – neben der üblichen musikalischen und gestalterischen Vielfalt. Inzwischen mischt der Künstlerstammtisch das Café Bauer auf – und nun das Kunstmuseum Hersbruck. Künstler, die man kennt und schätzt und Kunstwerke, die mit ihrer Vielfalt und ihrem Erfindungsreichtum beleben und bereichern – für Hersbrucker sollte der Besuch dieser Ausstellung eine Pflichtveranstaltung sein – langweilen wird sich dort garantiert niemand.
Geöffnet bei freiem Eintritt bis 21.07.2019 Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag 15 – 18 Uhr | Sonntag 14 – 18 Uhr. Künstlerfest rund ums Museum in der Amberger Straße 2 am 23. Juni von 14 bis 20 Uhr.
Blick in die Glaskugel jungen Kunstschaffens
Junge Künstler aus der Region zeigen im Kunstmuseum ihre Sicht der Welt- Klassische Techniken vorherrschend
Videoclips, digitale Zeichnungen oder 3D-Drucke? Wer unter dem Label „Junge Kunst“ entpersonalisierte Machwerke des Computerzeitalters erwartete, wurde angenehm enttäuscht. Meist ganz klassisch mit Zeichenstift, Pinsel und Linolschnittmesser rücken die acht jungen Kunstschaffenden den Themen zuleibe, die sie beschäftigen. Das stieß auf enormes Interesse, wohl weil die Anliegen der nachkommenden Generation wie ein Blick in die Glaskugel „Zukunft“ erhaschen lässt. Die abwechslungsreiche und knackfrische Schau ist noch bis 5. Mai im Kunstmuseum am Spitaltor zu sehen.
Was fesselt den Betrachter an junger Kunst? Karin Plank-Hauter, Kunsterzieherin am Paul-Pfinzing-Gymnasium und somit in täglicher Berührung mit jungen Talenten, macht sich in ihrer einfühlsamen Laudatio viele Gedanken über den Reiz der Unfertigkeit, das unverstellt Persönliche und das zaghaft Tastende des frühen kreativen Schaffens: was bildwürdig ist, was man schön findet und was man fühlt liegt noch ganz obenauf und ist auch nicht ganz leicht den Urteilen fremder Betrachter auszusetzen. Das Interesse der Hersbrucker an ihrem künstlerischen Nachwuchs, das im kleinen Torwärterhaus zu fast beklemmender Enge führte, dürfte für manchen Ausstellenden überraschend gewesen sein. Dabei sind auch schon Ausstellungsprofis dabei:
Katrin Brand bespielt allein im März drei eigene Schauen und Gruppenausstellungen. Ihre knospenden Blütenzweige wurden zum perfekten Sinnbild für die sprießende Kunstnachwuchsszene. Sie zeigt in perfekt getaktetem Farbenspiel in freier Malerei ein Drunter und Drüber von lebendigen Flächen und verschiedenen Ebenen, die Vordergrund und Hintergrund gleich wichtig nehmen und gleich schön erscheinen lassen. Ihre raffinierten Spiegelungen werden zum Verwirrspiel fürs Auge.
Federica Burzi aus Bologna läuft sich warm für ihre große Einzelausstellung im Stadthaus Ende März und steuert zwei federleichte und hauchzarte Ölskizzen auf Papier bei, deren diffuse Farbflächen durch poetische, gekonnt umrissene Fantasiewesen zu Räumen und Stimmungen definiert werden.
Alena Scharrer, die dieser Tage als Meisterschülerin das Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg beendet, bevorzugt ebenfalls die eher ungewöhnliche Technik, mit Ölfarben auf Papier zu malen. Sie geht aber mit ihren Arbeiten von der Wand in die Dreidimensionalität der Installation. Ihre ausgesägten und bemalten Figuren aus einem engen Kreis ihr vertrauter Menschen wirken mit ihrer unbehandelten Rückseite wie eine Kulisse. Sie suggerieren verspielte Anwesenheit und spröde Abwesenheit und machen der malerischen Illusion einen Strich durch die Rechnung.
Ebenfalls in den Raum hinein wirken die umgestalteten Stühle Marius Hutzlers. Durch Abbeizen, Reparieren, Schleifen, Bemalen und Bekleben entwickelt sich das Fundstück „Stuhl“ zu der Persönlichkeit, die sie immer schon sein wollte – mit allen Ecken und Kanten.
Seit Jahren „angekommen“ in der Kunstszene ist Johannes Stahl, dessen Pseudonym „Joe made this“ eine moderne Entsprechung des altertümlichen „fecit“, der Signatur des Künstlers, darstellt. Seine Zeichnungen in perfekter Ausgewogenheit von Schwarz und Weiß in Holzschnittoptik zeigen Piraten- und Amazonenschlacht als fiese Wimmelbilder für über Achtzehnjährige – möglicherweise auch eine Kritik an immer raueren Umgangsformen in der Öffentlichkeit.
Leoš Olpp, der seit 2016 die Bauhausuniversität in Weimar besucht, hat typographische Arbeiten mit politischen Inhalten eingebracht. Er überführt Buchstaben in eine immer reduziertere Form. Seine an die amerikanische Flagge erinnernde Fahne offenbart ein Kunstkonzept, das Stellung bezieht. Denn die Fahne ist mit islamfeindlichen Tweets des amerikanischen Präsidenten Donald Trump beschrieben. Als Hijab verwendet stehen Objekt und Text in einem – gelinde gesagt - Spannungsverhältnis.
Die zwei jüngsten Teilnehmer der Ausstellung sind Mathis Hauter und Paul Schober, die beide im vergangenen Herbst ihr Akademiestudium begonnen haben. Bereits das Ergattern der begehrten Studienplätze stellt ein Qualitätskriterium dar.
Die fein gezeichneten und sensibel kolorierten, kantigen Figuren von Paul Schober schweben schwerelos im unendlichen Bildraum. Assoziationsketten altvertrauter Dinge erscheinen auf dem Papier und transportieren eine nicht so leicht zu entschlüsselnde Botschaft. Paul Schober legt tatsächlich auch ein mit den technischen Möglichkeiten der digitalen Zeichnung gefertigtes Comicheft vor.
Mathis Hauter betitelt seine Häuser mit Landschaft bescheiden als „Übungen“, Probieren und Forschen gehört ja unbedingt an den Beginn eines Kunststudiums. Bisher in Hersbruck eher als Filmemacher aufgefallen ist er als Maler dabei, sich im Dickicht genialer Vorläufer und abwertender Kritik über Idylle und Schönmalerei seinen eigenen Weg freizuschlagen. Auf seinen Ölbildern wuchert die bedrängte Natur über die Bildfläche und das überzivilisierte Umfeld aus Wohlstandshäusern.
Die unwiderstehliche Mischung aus frischer Farbe, Nachdenklichkeit, Experimentierlust und vielversprechenden Anfängen wurde sehr passend musikalisch bereichert durch Klezmer-Variationen des ebenfalls noch jungen Komponisten Vahid Matejkos mit Martin Pirner am Klavier und Mira Weigl an der Klarinette.
Zu sehen ist die Ausstellung „Junge Künstler“ bis zum 5. Mai jeweils Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag von 15 – 18 Uhr und Sonntag 14 – 18 Uhr im Kunstmuseum Hersbruck, Amberger Straße 2. Eintritt frei, weitere Informationen auf der neu gestalteten Webseite unter www.kunstmuseum-hersbruck.de .
Text: Ute Scharrer und Karin Plank-Hauter
Alles neu macht der März
Junge Künstler eröffnen den Ausstellungsreigen im Kunstmuseum Hersbruck
Welcher Zeitpunkt wäre besser geeignet, um knospende und vielversprechende Kunst zu zeigen, als das Frühjahr? So lädt das ehrenamtliche Team des Kunstmuseums am 14. März um 20 Uhr ein, acht junge Frauen und Männer aus der Region beim Sprung in die kalten Gewässer öffentlichen Ausstellens zu begleiten. Bis 5. Mai sind die Arbeiten zu sehen.
Obwohl jung und teilweise noch am Anfang ihres Akademiestudiums stehend, ist es für kaum einen Neuland, seine oder ihre Werke öffentlich zu zeigen.
Katrin Brand aus Vorra ist ein Ausstellungsprofi und hat bereits mehrere Kunstpreise gewonnen. In ihren „Pflanzenportraits“ geht sie dem Charakter der jeweiligen Pflanze auf den Grund. Wegen vielfacher Ausstellungstätigkeit im Frühling musste sie drei Pflanzenkonterfeis regelrecht „abzweigen“ für die Schau im KMH.
Auch Federica Burzi ist mit ihren vielfachen künstlerischen Aktivitäten keine Unbekannte mehr. Sie hat in Rom, Bologna und Santa Cruz Kunst studiert und stellt trotz ihrer Einzelausstellung im Stadthaus ab 26. März einige Arbeiten für das Kunstmuseum zur Verfügung.
Nick Frank aus Lauf ist Autodidakt. Seine künstlerischen „Probeläufe“ versucht er mit einem unkonventionellen Lebensmodell der Selbstversorgung durch Kleinlandwirtschaft zu verbinden.
Die kunstvoll veränderten Stühle des Happurgers Marius Hutzler waren bereits mehrfach in Hersbruck und Umgebung zu sehen. Er wird eine Prise Dreidimensionalität in die Ausstellung tragen.
Mathis Hauter und Paul Schober, die im vergangenen Herbst an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg zu studieren begonnen haben, verarbeiten die Eindrücke ihres persönlichen Umfelds in Radierungen und Ölbildern.
Johannes Stahl, eher bekannt unter seinem Künstler-Label „Joe made this“ mag abgedrehte und wunderliche Motive und hat eine ganz spezielle Technik der Grautöne bei seinen Schwarz-Weiß-Zeichnungen entwickelt. Der 27-jährige ehemalige Student der Georg-Simon-Ohm-Fachoberschule Nürnberg diskutiert gerne mit Betrachtern über Sinn und Unsinn seiner Werke und passt somit gut ins Spektrum der Original Hersbrucker Bücherwerkstätte, die ihn bereits ausgestellt haben.
Alena Scharrer aus Hersbruck schließt ihr Studium an der Akademie der Bildenden Künste zeitgleich zur Ausstellung in Hersbruck ab. Aus Holz gesägte und bemalte Figuren sowie Malereien mit Momentaufnahmen aus ihrer Welt machen flüchtige Augenblicke zu kostbaren und zugleich robusten Objekten.
Zur Ausstellungseröffnung am 14. März um 20 Uhr spricht Karin Plank-Hauter, Künstlerin und Kunsterzieherin am PPG Hersbruck, die Musik wird von Mira Weigl und Martin Pirner an Klarinette und Piano kommen. Geöffnet wird die frische Werkschau Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag von 15 bis 18 Uhr sowie Sonntag 14 bis 18 Uhr sein , wie immer bei freiem Eintritt.
Gemälde von Katrin Brand
Im Kunstmuseum feiert eine Ausstellung den 100. Geburtstag von Vittore
Bocchetta – Jubilar schaltete sich mit einer kurzen Videobotschtschaft zu
„Basta Finito!“- die Videobotschaft von Vittore Bocchetta, die aus Anlass seiner Ausstellung zum 100. Geburtstag im Kunstmuseum gezeigt wurde, dauerte nur 45 Sekunden und wurde vom greisen Jubilar mit obigen Worten energisch beendet. Doch die kurze Ansprache hatte es in sich und wurde von der „Geburtstagsgesellschaft“ mit warmen Worten erwidert.
„Eine Geburtstagsfeier nur um des Geburtstages willen? Das würde für mich keinen Sinn machen!“ - Vittore Bocchetta, der am 15. November in Verona seinen 100. Geburtstag feiern durfte, fand deutliche Worte für ein geplantes Fest zu seinen Ehren. Der Hundertjährige, der zu Zeiten des Nationalsozialismus im KZ Hersbruck inhaftiert gewesen war, überlebt hatte und die Schrecken dieser Zeit in seiner Kunst verarbeitete, hat vielmehr eine Botschaft und die tat er kund. In seiner kurzen Ansprache konnten die Gratulanten im vollgepackten Kunstmuseum hören, was Bocchetta den Hersbruckern und auch den Deutschen zu sagen hat. Freund und Mitarbeiter Sergio Mastrosimone aus Verona war persönlich vor Ort, um zu übersetzen und zu erklären: wie Bocchetta bereits in jungen Jahren die großen Vordenker, die deutschsprachigen Philosophen wie etwa Kant, Schopenhauer und Hegel als „Streichhölzer in der Dunkelheit“ empfand, die ihn auch in seinen schwersten Zeiten über Wasser hielten, damals, als die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten dieses Licht ausgepustet zu haben schien. „Jetzt“, so Bocchetta, „gibt es hier eine solide Demokratie. Doch was, wenn Europa nun zerbrechen würde?“ Ein weltoffenes Europa sei unabdingbar, um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Die Verbundenheit in der Vergangenheit müsse auch in die Zukunft wirken, lobte Bocchetta die unermüdliche Erinnerungsarbeit des Vereins Dokumentationsstätte Hersbruck. „Italien braucht Deutschland und Deutschland braucht Italien, oder Verona braucht Hersbruck und Hersbruck braucht Verona!“, ergänzte Sergio Mastrosimone.
Schon im Vorfeld hatte Landrat und Bezirkstagspräsident Armin Kroder für ähnliche Werte plädiert, als er seine guten Wünsche für den Jubilar in die laufende Handykamera sprach: „Die Menschen in diesem Raum trifft vielleicht keine Schuld für die Verbrechen der Vergangenheit, sie stehen aber sehr wohl in der Verantwortung, so etwas nicht wieder geschehen zu lassen und Extremismus und Rassismus scharf abzulehnen!“ Kroder sprach dem Verein Dokumentationsstätte Hersbruck und ihrem Vorsitzenden Thomas Wrensch seinen allerhöchsten Respekt aus: zunächst gegen Widerstände hätten sie die Erinnerungskultur in Hersbruck zu einer festen Größe gemacht.
Wrensch selbst fand warme und persönliche Worte für „Caro Vittore“, den „lieben Vittore“. Er sei stolz darauf, Bocchetta kennen zu dürfen, auch als Vorbild für kommende Herausforderungen, von denen noch niemand wisse, wie sie aussehen werden. „Ohne Namen sind Sie einst nach Hersbruck gekommen, nun haben Sie einen Namen bei uns!“ würdigte er Bocchetta und forderte als Aufgabe der Gegenwart einen „aufrechten Gang, anzuerkennen, dass jedes menschlichen Wesen unermesslichen Wert habe und alle Menschen der Freude teilhaftig werden könne, die das Leben eben auch beinhalte“. Für diese Aufgabenstellungen sei jemand wie Bocchetta so wichtig, der „uns warnt und uns wach hält für den Lebensauftrag: Werde Mensch!.“
Von der herzlichen Beziehung der so zahlreich erschienenen Gäste mit „ihrem Vittore Bocchetta“ zeigten sich auch Annabelle Lienhart, Historikerin und Mitarbeiterin in der Historischen Abteilung der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und Volontärin Katharina Winter beeindruckt. Sie hatten es möglich gemacht, dass zahlreiche Arbeiten Bocchettas nun für einige Zeit in Hersbruck zu sehen sein werden. „Es ist auch einfach schön, dass sie mal wieder von vielen Betrachtern gesehen werden,“ so Lienhart.
Vittore Bocchetta als den Künstler zu sehen und ehren, der er eben auch war, war das Anliegen von Museumsleiter Uli Olpp. Die Ausstellung mit hochkarätigen Arbeiten, die bis in die Gegenwart reichen, sei lohnend und wichtig, begrüßte er neben Kroder auch Iris Plattmeier, ihren Vater, verschiedene Stadträte und viele Engagierte sowie Barbara Raub, die am Paul-Pfinzing-Gymnasium „gegen das Vergessen“ arbeitet.
Ein Abend voller notwendigem Pathos und ohne einen falschen Ton.
Die Hersbrucker können sich die Ausstellung bis zum 27. Januar 2019
ansehen und zwar Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag von 15 bis 18 Uhr und Sonntag von 14 bis 18 Uhr.
Das Kunstmuseum ist vom 24.12.2018 – 08.01.2019 geschlossen.
Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, dem 27.01.2019 wird die Ausstellung mit einer Finissage und mit musikalischer Begleitung um 16 Uhr beendet.